PKV: Niedrigzins führt zu Beitragserhöhungen
Die privaten Krankenversicherer scheinen auf den ersten Blick gut durch die Coronakrise gekommen zu sein. Doch das Beitragsplus ist nicht auf Neugeschäft, sondern auf Prämienerhöhungen zurückzuführen. Die Ratingexperten von Assekurata erwarten eine Fortsetzung des Trends. Positiv entwickelt sich die betriebliche Krankenversicherung.
Wirtschaftlich haben die privaten Krankenversicherer die Corona-Pandemie gut überstanden. Hintergrund sind ein vergleichsweise geringer Ausgabenanstieg und deutlich gestiegene Beiträge. Das zeigt der aktuelle Marktausblick für die Branche, den die Kölner Ratingagentur Assekurata vorgelegt hat. „Durch die pandemiebedingt geringere Zahl an Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten sind die Leistungsausgaben in der Vollversicherung 2020 mit voraussichtlich 2,9 Prozent deutlich moderater angestiegen als in den beiden Vorjahren, in denen die Kostensteigerungen über 4 Prozent lagen", sagt Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH und Autor der Untersuchung. Zusätzlich hätten insbesondere die Beitragsanpassungen in der Pflegepflichtversicherung dazu beigetragen, dass die PKV im Geschäftsjahr 2020 ihr versicherungsgeschäftliches Ergebnis deutlich von 4,9 auf rund 5,7 Milliarden Euro steigern konnte.
Niedrige Nettoverzinsung, reduzierter Rechnungszins
Die niedrigen Zinsen machen den Krankenversicherern nach wie vor zu schaffen: So ging das Kapitalanlageergebnis von 9,5 auf rund 8,7 Milliarden Euro zurück, was einer Nettoverzinsung von knapp 2,9 Prozent entspricht. Das ließ sich auch nicht durch den Gewinnanstieg im Versicherungsgeschäft kompensieren, sodass insgesamt das Rohergebnis nach Steuern marktweit um 0,3 auf rund 5,7 Milliarden Euro sank.
Da der Rechnungszins im Zuge der durchgeführten Beitragsanpassungen im Branchenschnitt mittlerweile nur noch bei 2,66 Prozent liegt, betrug die Zinsanforderung 2020 statt 9,8 nur 7,5 Milliarden Euro. „Dies verdeutlicht die entlastende Wirkung des aktuariellen Unternehmenszinses auf die Unternehmen, für die dadurch eine Fortsetzung der Niedrigzinsphase zumindest ökonomisch kein Problem darstellen dürfte”, erläutert Reichl. Darauf deuten auch die im Durchschnitt stattlichen Solvenzquoten hin.
Stagnierende Versichertenzahl, steigende Beiträge
In der Vollversicherung hat sich der Trend leichter Bestandsverluste fortgesetzt (2020: -0,1 Prozent). Es wechseln deutlich weniger gutverdienende Angestellte und Selbstständige von der gesetzlichen Krankenversicherung in die PKV. Dagegen erhöhte sich zuletzt die Zahl der Neuzugänge im Beihilfesegment. „Hier macht sich die steigende Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst positiv bemerkbar“, erläutert Gerhard Reichl.
Bei den Beiträgen verzeichnete die Branche zwar einen Rekordzuwachs von rund 1,8 Milliarden Euro. Er basiert jedoch zu einem Großteil auf Beitragsanpassungen – diesmal vor allem in der Pflegeversicherung. „Bereits zu Beginn des Jahres hatten die Gesellschaften die Beträge in der Vollversicherung marktweit so stark angepasst wie seit 2010 nicht mehr“, erklärt Gerhard Reichl. „Im Durchschnitt der von uns gerateten Krankenversicherer er- höhten sich die Bestandsbeiträge im Beihilfesegment um 5,7 und im Nicht-Beihilfebereich um 7,7 Prozent.”
Betriebliche Kranken top, Pflegezusatz flop
Die Beitragssteigerungen verunsichern nach Assekutata-Angaben Kunden wie Vermittler und beeinflussen Neugeschäft wie Bestandswachstum negativ. „Nachhaltige Ruhe an der Beitragsfront ist vorerst nicht in Sicht, schon allein aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase, die auch in den kommenden Jahren durch weitere Rechnungszinsabsenkungen für Beitragsanpassungen sorgen dürfte“, mahnt Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will. Vor diesem Hintergrund erwartet die Ratingagentur für 2021 in der Vollversicherung keine wesentlichen Veränderungen beim Personenwachstum. Wegen des prognostizierten Rekords beim Beitragszuwachs werde es aber ertragsseitig erneut ein positives Jahr für die Branche.
Weiteres Wachstumspotenzial sieht Krankenversicherungsexperte Reichl in den Budgettarifen der betrieblichen Krankenversicherung. „Die Pflegezusatzversicherung dürfte sich dagegen angesichts der empfindlichen Beitragsanpassungen erneut schwer tun, einen nennenswerten Bestandszuwachs zu erzielen.“