Aufsichtsbehörde zieht IDD-Zwischenfazit
Die EIOPA sieht in einem Report zum Stand der Umsetzung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie einen fragmentierten und für Verbraucher unübersichtlichen Markt. Zudem gebe es Mängel in der Qualität der Beratung. Der Vermittlerverband AfW lobt hingegen eine funktionierende Aufsicht durch die IHK.
Seit gut drei Jahren ist die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) der Europäischen Union in Deutschland per Versicherungsvermittlungsverordnung in Kraft. Sie legt regulatorische Mindeststandards für Gestaltung und Vertrieb von Versicherungsprodukten für den gesamten EU-Versicherungsmarkt fest und soll den Verbraucherschutz verbessern. Wie die Anwendung der Richtlinie gelingt, hat nun die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) untersucht.
Wegen Sonderfaktoren noch keinen endgültigen Schlussfolgerungen
In ihrem „zweiten jährlichen Bericht über verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere Maßnahmen im Rahmen des Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD)“ für das Jahr 2020 kommen die Frankfurter Aufseher zu einem sehr differenzierten Bild. Grundsätzlich könnten noch keine belastbaren Schlussfolgerungen gezogen werden, da zahlreiche Sonderfaktoren wie die Corona-19-Pandemie oder die Digitalisierung das Bild in den vergangenen Jahren verfälscht hätten. Andererseits erschwerten auch lückenhafte Daten der Mitgliedsländer und der relativ kurze Anwendungszeitraum der IDD eine abschließende Bewertung der Maßnahmen. Auch deshalb plant die EIOPA, in zwei Jahren einen weiteren Bericht über die Anwendung der IDD zu veröffentlichen.
Weiter stark fragmentierter Markt
Dennoch liefert der Report bereits jetzt zahlreiche Erkenntnisse. So konstatiert die EIOPA trotz der Bemühungen um Harmonisierung weiterhin einen stark fragmentierten Versicherungsmarkt. Immer noch existiere eine Vielfalt an nationalen Vertriebskanälen, Registrierungsanforderungen und Melderegelungen unter den EU-Mitgliedsländern. Ein Zustand, der eine Bewertung, wie sehr die IDD die Situation der Verbraucher im EU-Binnenmarkt verändert habe, weiterhin erschwere.
Ein weiteres Phänomen, das auch auf Deutschland zutrifft, ist der EU-weite Rückgang der Zahl der registrierten Vermittler im Zeitraum 2016 bis 2020. Die EIOPA sieht die Ursachen in einer Konsolidierung am Markt, dem zunehmenden Durchschnittsalter der Vermittler, strengeren Berufsanforderungen auf nationaler Ebene sowie der Streichung inaktiver Vermittler aus den Registern der Mitgliedsstaaten.
Bancassurance und Online-Vertrieb gewinnen an Bedeutung
Was die Vertriebskanäle angeht, stellt die Frankfurter Behörde fest, dass Online- und Bankvertrieb ihre Relevanz steigern konnte. So habe die Bancassurance (Vertrieb von Versicherungsprodukten durch Banken und Sparkassen) zuletzt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Lebensversicherungen gespielt, während hauptsächlich Handelsvertretern eine große Bedeutung in der Sachversicherung zukomme. Der Online-Vertrieb von Versicherungslösungen dürfte durch die Pandemie auch in naher Zukunft einen weiteren Aufschwung erfahren.
In Sachen Qualität der Beratung und Verkaufsmethoden verweist die EIOPA auf das Lob von Berufsverbänden hinsichtlich der Auswirkungen der IDD und Kritik von Verbraucherschützern. Letztere beobachten problematische Praktiken insbesondere bei der Vermittlung von fondsgebundenen Lebensversicherungen sowie Restschuldversicherungen.
EIOPA sieht Nachholbedarf bei Vermittlern und gibt Verbraucherschützern Recht
Tatsächlich sieht auch die EIOPA Nachholbedarf bei den Vermittlern. Es gebe Mängel bei der Kompetenz und Ausbildung, insbesondere mit Blick auf für Verbraucher schwer zu verstehende Versicherungsanlageprodukte. Doch auch im Bereich Produktinnovation erwartet die Aufsichtsbehörde Aktivitäten seitens der Vermittler, zumal wegen der wachsenden Bedeutung der Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung in den kommenden Jahren. Ein weiterer Kritikpunkt ist laut Bericht das sogenannte Cross-Selling von Finanzprodukten. Die Bündelung von verschiedenen Finanzprodukten und das damit häufig einhergehende aggressive Verkaufsgebaren sei bereits von Verbraucherverbänden vielfach angeprangert worden.
AfW sieht viele Sanktionen als Beleg für funktionierende Kontrolle
Trotz der teilweise kritischen Bewertungen der EU-Aufsicht auch in Richtung Vermittler interpretiert der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. den Zwischenbericht positiv. So würde die Auswertung die von Verbraucherschützern, SPD und Grünen immer wieder geäußerte These, dass nur eine Vermittlerkontrolle durch die Finanzaufsicht wirksam wäre, widerlegen. Hintergrund: Der Verband der unabhängigen Versicherungsmakler und Finanzdienstleister kämpft schon lange gegen eine Übertragung der Aufsicht auf die BaFin.
Konkret bezieht sich der AfW dabei auf die Statistik, nach der Deutschland eindeutiger Spitzenreiter bei der Verhängung von Sanktionen ist. So wurden von europaweit 1942 Sanktionen gegenüber Versicherungsvermittlern 1562 hierzulande verhängt. Das entspricht einem Anteil von 80,4 Prozent. Besonders häufig wurden Fehler bei der regelmäßigen Weiterbildungsverpflichtung der Vertriebstätigen geahndet.
Keine Übertragung der Vermittleraufsicht auf die BaFin
Der AfW sieht diese Zahlen als einen Beleg für die im europäischen Vergleich besonders strenge Vermittleraufsicht in Deutschland durch die Industrie- und Handelskammern. „In anderen europäischen Ländern mit einer Kontrolle durch die Finanzaufsicht wird drastisch weniger sanktioniert. Das System der Vermittleraufsicht durch die IHKs in Deutschland funktioniert“, sagt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. Die Unterstellung, dass das Kammersystem aus einem Interessenkonflikt heraus seine eigenen Mitglieder nicht sanktionieren würde, werde klar widerlegt.