Betriebsunterbrechungen durch Gas-Lieferstopp kein Versicherungsfall
Falls im Winter Gas rationiert werden muss, könnte das in der Industrie zu Betriebsunterbrechungen führen. Versicherungsschutz gibt es für diesen Fall aber nicht, hat nun der GDV betont. Der Verband fürchtet für die Versicherungswirtschaft aber indirekte Schäden.
Der russische Energiekonzern Gazprom hat zu Beginn der Woche angekündigt, wegen einer angeblich fehlenden weiteren Turbine nur noch 20 Prozent der üblichen Gasmenge über die Pipeline „Nord Stream 1“ nach Westeuropa zu liefern. Vor und nach einer zehntägigen Wartungspause, in der gar kein Gas geflossen war, hatte Gazprom 40 Prozent der Kapazitäten durchgeleitet.
Schon vor dieser Ankündigung hatte sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit einer vorsorglichen Botschaft zu Wort gemeldet: Sollte es im Winter zu Betriebsunterbrechungen infolge von Gasknappheit kommen und damit zu Produktionsausfällen, sind diese nach Auffassung des Branchenverbands nicht versichert.
Planmäßige Abschaltung kein Sachschaden
Zwar könnten Betriebsunterbrechungen gesondert abgesichert werden, eine Entschädigung setze aber immer einen Sachschaden voraus. Das bedeutet laut GDV: Kommt die Produktion aufgrund eines Feuers in einer Fabrik zum Erliegen, sind daraus resultierende Schäden über eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgedeckt. Produktionseinbußen durch eine staatlich angeordnete und im Voraus geplante Rationierung von Rohstoffen fallen dagegen nicht unter den Versicherungsschutz.
Diese Lesart werde durch ein aktuelles Gutachten bestätigt, das der GDV in Auftrag gegeben hat. Wer es erstellt hat, teilt der Branchenverband nicht mit. Jedenfalls komme das Gutachten zu dem Ergebnis, dass es sich beim Ausrufen der staatlichen Gas-Notfallstufe um eine „planmäßige Abschaltung“ handelt und der entsprechende Risikoausschluss in den Musterklauseln greift. Selbst wenn in einer Klausel das Vorliegen eines Sachschadens nicht konkret vereinbart ist – was bei älteren Policen der Fall sein könne –, greift letztlich der Risikoausschluss „planmäßige Abschaltung“, so laut GDV die Einschätzung der Gutachter.
Versicherungssektor nicht betroffen
Die Ratingagentur Fitch komme in einer aktuellen Analyse zum gleichen Urteil: Der Versicherungssektor wäre demnach nicht von Betriebsunterbrechungsschäden betroffen, die aus einem Stopp russischer Gaslieferungen nach Europa resultieren. Die sogenannten Business-Interruption-Policen deckten nur Verluste ab, die durch physische Schäden an Geschäftsräumen oder Produktionsanlagen entstehen. Auch die Chancen der Firmen auf Ansprüche aus politischen Risikoversicherungen seien gering.
Notwendige Ausschlussklauseln
Für Versicherer sind aus Sicht des Verbands solche Ausschlussklauseln wichtig, um sich vor vielen gleichzeitigen Ansprüchen zu schützen, die sie selbst überfordern würden. Das sei immer bei sogenannten Kumulrisiken der Fall. Damit sind Gefahren gemeint, die in relativ kurzer Zeit sehr viele Schäden anrichten können, wie beispielsweise ein Krieg, eine Pandemie oder eine über Monate im Voraus geplante Unterbrechung der Strom- oder Gasversorgung. Denn wenn viele Unternehmen gleichzeitig Schäden geltend machen, funktioniere das Prinzip der Risikostreuung nicht mehr. Versicherungen seien dafür gedacht, unvorhersehbare zufällige Ereignisse abzudecken, so die Aussage des GDV.
GDV fürchtet indirekte Folgen
Indirekt könnten die Versicherer gleichwohl die Auswirkungen eines Gas-Lieferstopps zu spüren bekommen, meint der Verband mit erneutem Verweis auf die Ratingagentur Fitch. Diese gibt an, dass Einsparungen bei der Heizenergie beispielsweise dazu führen könnten, dass im Winter mehr Wasserrohre in Häusern bersten. Das sei ein klassischer Fall für die Gebäudeversicherung. Denkbar sei auch, dass vorübergehende Produktionsstopps in den Betrieben in der Folge zu mehr Maschinenschäden führen, für die die Assekuranz dann einstehen muss.