Gleichbehandlung im Kundenservice: Was Versicherer besser machen können
Johannes Bunk und Adrian Waltenberger vom Fralytics Brancheninstitut kritisieren, dass es bei vielen Kfz-Versicherern an der Gleichbehandlung der Kundenanfragen mangelt. In ihrem Gastbeitrag benennen sie die Probleme und erklären, wie man Mitarbeiter für das Thema sensibilisiert.
Diversität, Inklusion, Gleichstellung oder Gleichbehandlung – Schlagworte, die derzeit in vielen Unternehmen fallen und Ausdruck einer gesellschaftlichen Debatte sind. Tatsächlich haben sich die Strukturen in vielen Konzernen auch schon sichtlich verbessert. Gehälterangleichungen, Möglichkeiten der Kinderbetreuung oder geänderte Bewerbungsprozesse sind nur einige positive Beispiele. Inklusions- und Diversitätsstrategien sind allerdings oftmals nach Innen gerichtete Leitlinien mit dem Fokus auf die eigenen Mitarbeiter. Die Versicherungsbranche bildet hier keine Ausnahme.
Untersuchung zu Sprachbarrieren im Kundenservice
Aus unserer Sicht ergeben sich aber auch veränderte Anforderungen an den Umgang mit Kunden. Deshalb haben wir bei Fralytics für eine Studie einen Teilaspekt herausgegriffen, der sehr gut illustriert, in welchem Maße es Unternehmen gelingt, das Thema Gleichbehandlung bzw. Chancengleichheit nach außen umzusetzen. Konkret haben wir den Schwerpunkt auf Sprachbarrieren bei Kundenanfragen an Kfz-Versicherer gelegt. Diese Sparte bildet kundenseitig wegen ihrer hohen Verbreitung mit am besten den Querschnitt der Bevölkerung ab. Die von uns verwendeten Fragestellungen per Email waren inhaltlich identisch – und unterschieden sich lediglich durch die verwendeten Namen und die Berücksichtigung leichter Sprachbarrieren. Bei den Tests hatten die Antragsteller auf Sprachschwierigkeiten hingewiesen und um Rücksicht bei der Beantwortung ihrer Fragen gebeten. Inhaltlich bezogen sich die Anfragen auf günstige Wechselzeitpunkte und eine einfache Online-Preiskalkulation der Versicherungsprodukte.
Tests zeigen große Defizite im Antwortverhalten
Gleichbehandlung im Kundenservice versteht sich leider nicht immer von selbst. Aus unserer Sicht werden Kunden dann gleichbehandelt, wenn sie die Antwort nicht unbedingt in gleicher Weise bekommen, sie aber in gleicher Weise verstehen. Es ist also legitim, wenn jemand mit sprachlichen Schwierigkeiten im Deutschen eine kürzere und einfachere Antwort erhält, allerdings dürfen durch die Kürzung keine wichtigen Informationen entfallen. Zudem müssen Kommunikationswege zur Nachfrage allen Kunden gleichermaßen offen stehen.
In der Untersuchung machen es besonders die Versicherer gut, die einen Übersetzer anboten oder die Anfragen gleich mehrsprachig beantworteten. Diese Verfahrensweise stellt sicherlich eine branchenübergreifende Referenz dar. Doch nur eine Minderheit der untersuchten Versicherer agiert so. Insgesamt fällt auf, wie viele Anbieter überhaupt nicht antworteten (36 von 77). Bei immerhin 26 Gesellschaften enttäuschte zudem die Antwortqualität. Bei manchem Kfz-Versicherer wurden die Referenzfragen noch ausführlich beantwortet, doch erhielten die nachfolgenden Testfragen deutlich kürzere Antworten oder die Aufforderung, sich nicht in der Zentrale zu melden, da man hier nicht zuständig sei. Das ist aus Kundensicht absolut inakzeptabel.
Workshops und Onboarding von Mitarbeitern bringen den Unterschied
Die Untersuchung zeigt aus unserer Sicht, dass solche Themen nicht nur in die Öffentlichkeitsarbeit großer Unternehmen gehören, sondern sich alle Abteilungen angesprochen fühlen sollten. Die Realität in Deutschland ist die einer multikulturellen Gesellschaft. Es ist anzunehmen, dass eher mehr Menschen mit Sprachbarrieren zu uns kommen als weniger. Um hier in Sachen Kundenservice gut aufgestellt zu sein, empfiehlt es sich, Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren. Hier sollten Verantwortliche Workshops anbieten, in denen Leitlinien erarbeitet werden. Das bringt gleich mehrere Vorteile: Alle Mitarbeiter in der Abteilung beschäftigen sich mit dem Thema und bekommen die Möglichkeit, selbst am Firmenleitbild mitzuwirken. Das stärkt die Indentifikation. Falls Unternehmen schon fertige Leitlinien zur Gleichbehandlung von Kundenanfragen haben, empfehlen sich kleine Schulungsveranstaltungen, die für das Thema sensibilisieren. Eine solche Veranstaltung muss sich nicht wiederholen, wenn neue Kollegen ins Serviceteam kommen, hier helfen Hinweise im Onboarding. Wer hierbei kritisch auf das Budget blickt, dem sei gesagt: Solche Maßnahmen müssen nicht teuer sein und bringen dem Unternehmen wirklichen Mehrwert. Schließlich liegt in der betroffenen Personengruppe auch ein enormes Kundenpotenzial.
Die Untersuchung
Im Rahmen der Studie wurden 77 Kfz-Versicherer auf ihr Bemühen um Chancengleichheit bei Kunden mit Sprachbarrieren geprüft. Die besten Performer mit hervorragenden Reaktionen auf Referenz- und Inklusion-Tests erhielten das Prädikat „Testsieger Inklusion”. In den Kategorien wurden entsprechend der Leistung Punkte in folgender Gewichtung vergeben: Antwortqualität Referenztest 20 Prozent, Antwortqualität Inklusion-Test 50 Prozent, Reaktionszeit (Durchschnitt aller Anfragen) 30 Prozent. Für die Auszeichnung waren mindestens 80 Prozent der Maximalpunktzahl zu erreichen.
36 Anbieter sind durch Nichtreaktion auf die Tests durchgefallen. 26 Anbieter wiesen eine mangelhafte Antwortqualität auf. Folgende 15 Kfz-Versicherer haben durch herausragende Reaktion das Prädikat erlangt: Admiraldirekt, Cosmos Direkt, DA-Direkt, Europa Versicherungen, Freeyou, Friday, Generali, HUK-Coburg, HUK24, Nexible, Öffentliche Versicherungen Oldenburg, ÖSA Versicherungen, Sparkassen Direktversicherung, WGV Versicherung und WWK Versicherung.