GDV macht den Klimawandel zu seinem Top-Thema
Die Versicherer wollen ihren Beitrag zur Transformation der Wirtschaft leisten, um die Folgen des Klimawandels einzugrenzen. Für das vorgeschlagene Modell zur Erhöhung der Versicherungsdichte bei Elementarschäden zeigte die Politik sich bei einer GDV-Tagung offen.
Die Tagung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vergangene Woche in Berlin stand ganz im Zeichen des Themas Klimawandel. Dafür sprach allein schon die grüne Wand auf der Bühne des „Frühjahrsforums der Versicherer“. Experten aus Wissenschaft, Politik und der Versicherungsbranche fanden bei der Veranstaltung vor allem warnende Worte. Konkret wurde es dabei an vielen Stellen nicht.
Klimapolitische Herausforderungen dürfen nicht in den Hintergrund geraten
Ein Mahner ist Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Nach seiner Auffassung muss die Weltgemeinschaft mehr tun, um die Folgen des Klimawandels noch beherrschen zu können. „Wir sind nicht auf dem Pfad des Pariser Klimaschutzabkommens“, sagte er in seinem Vortrag auf der GDV-Tagung. Er hoffe, dass die Politik neben den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen auch die klimapolitischen entschieden anpacke.
Sicherheits- und Energiepolitik seien in Deutschland enger miteinander verknüpft denn je, nicht zuletzt seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs, betonte Omid Nouripour, Co-Vorsitzender von Bündnis90/Die Grünen. „Wir wollen schnellstmöglich wegkommen von den fossilen Energien und den politischen Abhängigkeiten.“ Das Geschäftsmodell aus billiger russischer Energie trage nicht mehr. „Bis 2035 wollen wir die Energieversorgung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren decken“, so Nouripour.
Versicherer sind zu Mitfinanzierung bereit
GDV-Präsident Wolfgang Weiler begrüßte die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimaschutz-Vorhaben: vom massiven Ausbau Erneuerbarer Energien über die CO2-Bepreisung, einen Klimacheck in Gesetzesvorhaben bis hin zur Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und der Aktivierung privaten Kapitals für die angekündigten Transformationsprojekte. „Alle diese Maßnahmen finden unsere uneingeschränkte Unterstützung“, sagte Weiler. Er unterstrich auch die Bereitschaft der Versicherer, die zentralen Transformationsprojekte mitzufinanzieren.
Hohe Bedeutung der erweiterten EU-Nachhaltigkeitsberichtspflichten
Die Marktmacht der Versicherer sei enorm, betonte Yvonne Zwick, Vorstandsvorsitzende des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.). Zwischen 15 und 20 Prozent des global verwalteten Vermögens entfalle auf die Branche. Daher halte sie auch die Ausweitung der EU-Nachhaltigkeitsberichtspflichten auf kleinere Unternehmen für sinnvoll.
Diese – nicht nur auf die Versicherer – zukommenden Pflichten seien für eine nachhaltige Unternehmensführung unabdingbar, betonte Harald Epple, Vorstand der Gothaer Versicherungen. „Nur was messbar ist, ist auch steuerbar. Das funktioniert nur über die Berichterstattung.“ Diese könne auch eine Standardisierung bringen, „die wir als Kapitalanleger unbedingt brauchen“.
Mehr Aufklärung und Prävention gefordert
Gleichzeitig fordert die Branche mehr Anstrengungen bei der Klimafolgenanpassung. Die Versicherungswirtschaft allein könne die Herausforderungen nicht bewältigen, betonte Sabine Krummenerl, Vorständin der Provinzial Versicherung. „Wir müssen an den Ursachen arbeiten, das heißt auch mehr Aufklärung und mehr Prävention.“ Um die Menschen für die wachsende Gefahr extremer Wetterereignisse zu sensibilisieren, könnte beispielsweise ein Naturgefahrenportal helfen, wie es Österreich aufgebaut habe.
Ministeriumsvertreter zeigt sich offen für GDV-Vorschlag in Sachen Elementarschäden
„Eine höhere Versicherungsdichte ist wünschenswert“, sagte auch Christian Meyer-Seitz vom Bundesjustizministerium. Er bezeichnete die Vorschläge der Versicherer als „interessanten Denkanstoß“. Nach der Flut im vergangenen Jahr hatte der GDV ein Modell vorgelegt, um die Elementarschadenabdeckung zu erhöhen. Dafür wollen die Versicherer den Schutz vor Starkregen- und Überschwemmungsschäden künftig obligatorisch in neuen Wohngebäudeversicherungen anbieten und bestehende Verträge entsprechend umstellen. Kunden, die den Baustein nicht möchten, müssten ihn aktiv abwählen. Meyer-Seitz bezeichnete dieses sogenannte „Opt-out“ als milderes Mittel als eine Pflichtversicherung, wie sie in der Politik teilweise diskutiert wird.
Doch für das „Opt-out-Modell“ müsste der Gesetzgeber erst den notwendigen Rechtsrahmen schaffen, betonte Krummenerl von der Provinzial. Sie stellte zugleich klar, dass das Branchenkonzept eingebettet sein müsse in eine integrierte Anpassungsstrategie: „Nötig ist beispielsweise ein gesetzliches Bauverbot in Überschwemmungsgebieten.“