Kundenumfrage: Nachhaltigkeit soll nichts kosten
Die Bereitschaft zu Zugeständnissen von Versicherungskunden für mehr Nachhaltigkeit etwa in Form von Leistungsverzicht oder Prämienerhöhungen sind gering. In Deutschland ist die Haltung noch stärker ausgeprägt als in der Schweiz und in Österreich. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Bearingpoint.
So sehr das Thema Nachhaltigkeit die Schlagzeilen dominiert und auch im Bewusstsein der Menschen angekommen ist – insbesondere bei deutschen Kunden ist die Bereitschaft, für mehr Nachhaltigkeit auf Versicherungsschutz zu verzichten oder höhere Prämien zu zahlen, gering. Das zeigt die repräsentative Online-Umfrage zum Thema „Sustainable Insurance“ unter mehr als 3100 Personen durch das Marktforschungsunternehmen Yougov im Auftrag der Unternehmensberatung Bearingpoint für die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz.
Nur ein Drittel zu Verzicht bereit
Zwar sind die Zustimmungswerte in der jungen Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen deutlich höher, in der Gesamtbevölkerung wären in Deutschland aber nur 32 Prozent bereit, für mehr Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten. Die Befragten in den beiden Nachbarländern sind hier aufgeschlossener. Gefragt nach der Bereitschaft zur Zahlung einer höheren Prämie für einen nachhaltigen Zweck, wären sogar nur 27 Prozent der Deutschen, 39 Prozent der Österreicher und 36 Prozent der Schweizer dazu bereit. Über 50 Prozent lehnen in allen drei Ländern eine erhöhte Prämie ab, um damit eine nachhaltige Produktausrichtung zu fördern. Schon in der Vorjahresumfrage von Bearingpoint stimmte weniger als ein Drittel der Idee zu, den Versicherungsschutz für weniger umweltfreundliche Fahrzeuge wie etwa große SUVs zugunsten von Fahrzeugen mit guter Klimabilanz zu verteuern. Immerhin: Unter den Befragten, die zu einem eigenen Beitrag bereit wären, stimmt nun in allen drei Ländern eine Mehrheit verschiedenen Varianten der Prämienkalkulation zu.
„Gegenüber dem Vorjahr verfestigt sich die Haltung der Kunden, dass mit einer nachhaltigen Ausrichtung des eigenen Verhaltens auch eine positive Auswirkung auf die Prämienhöhe verbunden sein sollte. Der gegebenenfalls nötige Verzicht auf Leistungen oder ein nachteiliger Effekt auf die Prämien (...) trifft jedoch noch bei wenigen Verbrauchern auf Zustimmung. Sowohl für Kunden als auch Versicherer könnte sich noch ein schmerzhafter Lernprozess abzeichnen, dass Nachhaltigkeit auch ein Stück mit Verzicht, mindestens aber mit Veränderung zu tun hat“, sagt Giso Hutschenreiter, Partner bei der Bearingpoint GmbH.
Deutlich abnehmende Erwartungshaltung
Dass Versicherungsunternehmen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit spielen sollen, bejahen jetzt deutlich weniger Verbraucher. Mit Zustimmung von 53 Prozent der Deutschen, 64 Prozent der Österreicher und 67 Prozent der Schweizer sollten Versicherungen mit ihren Produkten nachhaltiges Verhalten fördern. Eine Mehrheit – im Vorjahr waren es aber noch 71, 80 und 81 Prozent. Bei den Zielen überlagern laut Studie Umwelt- und Ressourcenschonung die anderen ESG-Elemente wie soziales Engagement und gute Unternehmensführung deutlich. „Dies mag auch unter dem Eindruck der aktuellen Kriegsfolgen stehen, in denen Ressourcenschonung auch im Kontext der Energieeinsparung erkannt wird“, schreibt Bearingpoint.
Dass Produkte mit nachhaltiger Ausrichtung bereits angeboten werden, glauben 47 Prozent der Deutschen, 56 Prozent der Österreicher und 57 Prozent der Schweizer. Für nur noch 29 Prozent der Deutschen (Vorjahr: 34 Prozent) würde inzwischen das Angebot nachhaltiger Produkte die Versicherungswahl beeinflussen, während 51 Prozent dies verneinen (Vorjahr: 48 Prozent). In Österreich und in der Schweiz sind die Zahlen zwar höher, aber im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls rückläufig.
Deutsche skeptischer, was Renditechancen angeht
Die größere Skepsis deutscher Verbraucher im Vergleich zu Versicherungskunden in Österreich und der Schweiz zeigt sich auch, wenn es um darum geht, nachhaltige Anlageprodukte von Versicherungen zu beurteilen. In Deutschland ist der Anteil derjenigen, die im Vergleich zu herkömmlichen Anlageprodukten bei einer nachhaltigen Ausrichtung langfristig mit einer niedrigeren (47 Prozent) bzw. einer höheren Rendite (46 Prozent) rechnen, nahezu gleich verteilt. Anders in Österreich und der Schweiz: 57 Prozent der Österreicher und 56 Prozent der Schweizer rechnen mit einer höheren Rendite nachhaltiger Versicherungsprodukte – deutlich mehr als in Deutschland.
„Nachhaltigkeit setzt sich in den Köpfen der Verbraucher fest. Mit vermeintlich steigendem Verständnis (...) nimmt aber auch die Skepsis hinsichtlich der Rolle von Versicherungen und Versicherungsprodukten beim Thema Nachhaltigkeit zu. In Deutschland scheint das Thema aktuell besonders schwierig. Die traditionellen Vorbehalte deutscher Verbraucher gegenüber Finanzinstituten scheinen sich zudem beim Thema Nachhaltigkeit fortzusetzen. Bei anlageorientierten Produkten allerdings setzt sich die Einschätzung durch, dass auf längere Sicht die nachhaltige Ausrichtung sich zumindest nicht nachteilig auf die Rendite auswirkt“, so Hutschenreiter.