15.09.2022 Branche

Studie: So groß ist das Einsparpotenzial im Schadenmanagement

Langsam und ineffizient - so lautet das wenig schmeichelhafte Fazit einer globalen Accenture-Studie über die Schadenregulierung der Versicherer. Besonders stark betroffen ist davon in Deutschland die Kfz-Sparte. Durch den gezielten Einsatz von KI könnten die Defizite jedoch behoben werden. Es geht um Milliardenbeträge.

Alltag im Underwriting: Statt ihre versicherungsspezifische Kernkompetenz auszuspielen, sind die Mitarbeiter durch administrative Aufgaben wie manuelle Dateneingaben gebunden. (Foto: AXA)
Alltag im Underwriting: Statt ihre versicherungsspezifische Kernkompetenz auszuspielen, sind die Mitarbeiter durch administrative Aufgaben wie manuelle Dateneingaben gebunden.
(Foto: AXA)

Mit der Studie „Why AI in Insurance Claims and Underwriting?“ hat das Beratungsunternehmen Accenture untersucht, wie die Versicherungsbranche auf die aktuelle Marktdynamik, den Druck neuer Wettbewerber, die Herausforderungen für Underwriter und den wachsenden Bedarf an nahtlosen Kundenerlebnissen antwortet. Außerdem wird laut der Studienmacher analysiert, wie KI-Technologien eingesetzt werden können, um die Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern sowie die Underwriting-Funktion zu optimieren.

Bürokratie und Ineffizienz führen zu Milliardenverlusten

 

Laut Studie hapert es vor allem an der Schadenbearbeitung. Knapp ein Drittel der Schadenberechtigen (31 Prozent) sind mit der Bearbeitung ihrer Sach- und Kfz-Versicherungsansprüche unzufrieden. Kritisiert wurde innerhalb dieser Gruppe dabei vor allem die langsame Abwicklung (60 Prozent). Fast jeder Zweite (45 Prozent) nennt Probleme mit dem Schadensabschlussverfahren.

Für die Versicherer hat das ineffiziente Schadenmanagement auch finanzielle Auswirkungen, wenn frustrierte Kunden aufgrund ihrer negativen Erfahrungen den Vertrag kündigen. Laut Studie betrifft das immerhin ein Drittel der unzufriedenen Schadenberechtigten. So groß ist der Anteil jener Kunden, die in den letzten zwei Jahren den Versicherer gewechselt haben. Weitere 47 Prozent ziehen einen Anbieterwechsel ernsthaft in Betracht. Laut Accenture-Berechnungen steht allein bei deutschen Versicherern ein jährliches Prämienvolumen von 1,5 Milliarden Euro auf dem Spiel. Auf Fünfjahressicht drohten demnach Verluste von 7,4 Milliarden Euro – davon fallen allein 77 Prozent auf den Massenmarkt Kfz-Versicherung. Weltweit gehe es in diesem Zeitraum sogar um bis zu 170 Milliarden Dollar.

Neueste Technologien noch unzureichend verbreitet

 

Wie könnten Lösungen aussehen? Die Studie macht deutlich, dass KI-Technologien den Prozess der Schadenregulierung selbst positiv beeinflussen können. So geben 79 Prozent der befragten Führungskräfte in der Schadenregulierung an, dass Automatisierung, KI und Datenanalyse auf der Grundlage von maschinellem Lernen in der gesamten Wertschöpfungskette der Schadenregulierung von Nutzen sein können.

Dies umfasse das Erkennen von Betrugsversuchen bei Schadenfällen über die KI-gestützte Schadensbewertung und -abschätzung, Rückstellung und Regulierung sowie die Optimierung der Bearbeitung und Regressnahme. Allerdings ist die Einführung dieser Technologien bis dato nur langsam vorangeschritten, so Accenture. Erst 35 Prozent der Führungskräfte setzen diese Technologien in ihrer Organisation bereits ein. Dies könnte sich jedoch ändern, da 65 Prozent der Versicherungsunternehmen planen, in den nächsten drei Jahren zehn Millionen Dollar oder mehr in neue Technologien zu investieren, wobei KI-basierten Anwendungen und Automatisierungstechnologien Priorität eingeräumt wird, so die befragten Schadenmanager.

Enormes Einsparpotenzial dank KI-Nutzung

 

Des Weiteren geht aus der Studie hervor, dass Versicherer durch den Einsatz von KI-Technologien ihre Betriebskosten im Underwriting senken und bis 2027 hohe Effizienzgewinne von weltweit bis zu 160 Milliarden US-Dollar erwirtschaften könnten. So wendeten Underwriter bis zu 40 Prozent ihrer Zeit für nicht zum Kerngeschäft gehörende und administrative Tätigkeiten auf. Das liege größtenteils an der Arbeit mit veralteten Systemen und ineffizienten Prozessen und entspricht laut Studie einem jährlichen Effizienzverlust zwischen 17 und 32 Milliarden US-Dollar. Mehr als die Hälfte der befragten Underwriter (60 Prozent) sind dementsprechend der Meinung, dass die Qualität der Prozesse und Tools in ihren Unternehmen verbessert werden sollte.

Allein im deutschen Markt schlummere ein Einsparpotenzial von 1,1 Milliarden Euro im Jahr, über fünf Jahre bis zu 5,7 Milliarden Euro. „Die Integration von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung in die Underwriting-Prozesse ist eine hervorragende Möglichkeit, die Zeit und das Know-how der Underwriter gewinnbringender zu nutzen und den weltweit drohenden Effizienzverlust (...) abzuwenden“, sagt Markus Heyen, Leiter des Bereichs Versicherungen für die DACH-Region bei der Accenture Dienstleistungen GmbH. „Immerhin verbringen Underwriter fast die Hälfte ihrer Zeit mit administrativen Tätigkeiten, manuellen Prozessen und redundanten Dateneingaben.“ Auch mit Blick auf die neuen ORSA-Richtlinien für Nachhaltigkeit sei die Integration von KI im Underwriting für Versicherer im Grunde alternativlos.

Über die Studie

Die Accenture-Studie „Why AI in Insurance Claims and Underwriting?“ basiert auf vier Umfragen in den Bereichen Schadenregulierung und Underwriting, die die Erfahrungen von Kunden, Mitarbeitern sowie die Reaktionen der Versicherer untersucht haben:

  • 6754 Versicherungsnehmer aus 25 Ländern wurden über ihre aktuellen Erfahrungen bei der Anmeldung von Auto- und Sachversicherungsansprüchen befragt,
  • 128 leitende Angestellte aus zwölf Ländern gaben Auskunft zu ihren Strategien in der Schadensabwicklung,
  • eine Umfrage unter 434 US-amerikanischen Sach- und Unfallversicherern, die in Kooperation mit The Institutes, einem Anbieter von Schulungen im Versicherungswesen, geführt wurde sowie
  • eine Befragung unter 500 US-amerikanischen Lebensversicherern über die Anwendung von Technologien in ihren Unternehmen.

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