23.08.2021 Branche

Versicherungsmarkt: Wachstumskurs, aber offene Fragen

Bislang hat die Assekuranz in Deutschland die Corona-Krise vergleichsweise gut verkraftet. Der „Marktreport 2021“ des Industrieversicherungsmaklers Aon sieht aber auch große Probleme bei der Angebots- und Preisentwicklung, die sich durch Naturkatastrophen noch verschärfen dürften.

Marktanalyse: Die ursprünglichen Worst-Case-Szenarien für die Versicherungswirtschaft haben sich nach rund eineinhalb Jahren Corona-Pandemie nicht bewahrheitet. (Foto: © BillionPhotos.com - stock.adobe.com)
Marktanalyse: Die ursprünglichen Worst-Case-Szenarien für die Versicherungswirtschaft haben sich nach rund eineinhalb Jahren Corona-Pandemie nicht bewahrheitet.
(Foto: © BillionPhotos.com - stock.adobe.com)

Die Pandemie hat die Versicherungswirtschaft nicht so hart getroffen wie erwartet – und das trotz weltweiter Pandemieschäden in einer geschätzten Größenordnung von zwischen 40 und 80 Milliarden Euro. Laut „Marktreport 2021“ des Industrieversicherungsmaklers Aon befindet sich die Branche auf Wachstumskurs, die Ergebnisse aller Versicherer und Rückversicherer sind positiv. Der Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 5,0 Prozent hat demnach die Assekuranz deutlich weniger hart getroffen, wenngleich einzelne Branchen auf Kundenseite nach wie vor mit dramatischen Einbußen kämpfen.

Neue Risikobeurteilung dürfte Preise steigen lassen

 

Ungeachtet dieser positiven Bilanz ist die weitere Entwicklung jedoch ungewiss. Naturkatastrophen und der weitere Pandemieverlauf können sowohl Kunden als auch Versicherer belasten. Schon jetzt zeigen sich die Auswirkungen der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands. „Wir haben inzwischen mehr als 200 Großschadenmeldungen im Bereich zwischen 50 000 Euro und 65 Millionen Euro vorliegen“, berichtet Hartmuth Kremer-Jensen, Geschäftsführer und Chief Broking Officer bei Aon. Das Ereignis werde zudem die Preise für Versicherungsschutz für Unternehmen, die an Flüssen liegen, weiter nach oben treiben. Die jüngsten Hochwasser könnten jetzt dazu führen, dass die Versicherer die Risikobeurteilung komplett umkrempeln, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ Kai-Frank Büchter, Deutschlandchef für die Industrieversicherung bei Aon. Wie gefährlich punktueller Starkregen in Tal-Lagen werden kann, habe bisher kaum einer auf dem Schirm gehabt. „Es wird für Industrieunternehmen schwer werden, Elementarversicherungen zu bekommen.“

Aon kritisiert Rückgang des Angebots

 

Schon in den vergangenen zwei Jahren haben die Versicherer die Preise erhöht und ihr Angebot in etlichen Sparten zurückgefahren, Klauseln verschärft und Selbstbehalte erhöht. Dass das ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 passiert ist, hat der Branche Kritik eingebracht, schreibt die „Süddeutsche“. Die Anbieter sollen wieder einen eher partnerschaftlichen Kurs einschlagen, fordert Aon. Die Wirtschaft erhält im Moment weniger Versicherungsschutz als zuvor, bekommt ihn schwerer und muss auch noch deutlich mehr dafür zahlen. Den Versicherern fehle der Mut, Lösungen für schwere oder komplexe Risiken zu finden, und die Bereitschaft, Deckungen in größerem Umfang anzubieten, kritisiert das Maklerunternehmen. Vor allem in der Cyber- und der Managerhaftpflichtversicherung wird die Schere zwischen Angebot und Nachfrage immer größer. Der einzige Weg, Unternehmen auch weltweit ausreichenden Zugriff auf Kapazitäten zu sichern, liegt in der Schaffung einer maximalen Transparenz zwischen allen Beteiligten, so Aon.

Mehr internationale und alternative Versicherungslösungen gefordert

 

Für international tätige Unternehmen sind laut Report infolge der Pandemie globale Risiken zum Top-Thema geworden: Gekappte Lieferketten können ebenso wie zunehmende Cyber-Kriminalität Betriebsabläufe empfindlich stören. Ein einheitlicher Versicherungsschutz weltweit ist für diese Unternehmen das Ziel, internationale Versicherungslösungen werden deshalb ständig weiterentwickelt, so die Aon-Experten. Dazu gehören auch alternative Konzepte wie parametrische Policen, bei denen die Deckungssumme nicht mehr an einen Schaden gebunden ist, oder auch Financial Interest Cover (FinC): ein Instrument, das auch in Ländern wie China, Russland oder Brasilien („non-admitted-Länder“) zum Tragen kommen kann und das die Muttergesellschaft sowohl für Risikoabsicherung als auch bei der Schadenregulierung in den Fokus rückt.

Der Bereich „Employee Benefits“ profitiert laut Aon bereits stark von dem gestiegenen Bewusstsein für Gesundheitsthemen. Zudem gewinnt im Zuge der anhaltenden Digitalisierung der Schutz geistigen Eigentums international an Bedeutung. Hier ist mit verstärkten Aktivitäten zu rechnen, zumal viele Unternehmen eine internationale Harmonisierung anstreben.

Aon

Aon ist ein globales Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen, das Lösungen zu den Themen Risiko, Altersversorgung, Vergütung und Gesundheit anbietet. Weltweit arbeiten für Aon 50.000 Mitarbeiter in 120 Ländern. In Deutschland sind rund 1650 Mitarbeiter an zwölf Standorten tätig. Das Unternehmen gilt hierzulande als größter Versicherungsmakler. Die Deutschlandzentrale befindet sich in Hamburg.


Weitere Artikel

Listing

24.10.2024 Branche

Versicherer im Fusionsfieber

Gerade erst ist die Fusion von Gothaer und Barmenia perfekt, da kündigen weitere Versicherer ihr Zusammengehen an: Nach der Ostangler Brandgilde und der Landesschadenhilfe haben jetzt die Stuttgarter und die Süddeutsche Kranken eine Fusion angekündigt.

> weiterlesen
Listing

11.10.2024 Branche

Branche: Momentan mau, bald besser

In der neuen Umfrage des Ifo-Instituts bewerten die Versicherungsunternehmen die mittelfristigen Ertragserwartungen positiv –
aktuell schätzen sie die Situation dagegen weniger rosig ein.

> weiterlesen
Listing

18.09.2024 Branche

Ifo-Index: Immer bessere Laune bei den Versicherern

Die Stimmung in der Versicherungswirtschaft hat sich im zweiten Vierteljahr 2024 weiter verbessert. Das zeigt das Konjunkturbarometer des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo für die Branche. Besonders die Lebensversicherungssparte bekommt Rückenwind.

> weiterlesen