Ampel-Aus: Was die Branche jetzt fordert
Die Berliner Koalition ist zerbrochen, doch das Land muss irgendwie weiterregiert werden. Vor allem Wachstumsimpulse, Bürokratieabbau und steuerliche Anreize dürften nun nicht auf der Strecke bleiben, fordert GDV-Chef Jörg Asmussen und legt einen Fünf-Punkte-Plan vor. Der Vermittlerverband AfW macht Druck beim Thema Altersvorsorge.
Was für eine spektakuläre politische Woche! Zuerst der – unerwartet deutliche – Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen. Am selben Abend verkündete Bundeskanzler Scholz dann das endgültige Zerwürfnis der Ampel-Koalition und sprach seinem dauer-opponierenden Finanzminister die Kündigung aus. Während die Folgen einer neuen Trump-Ära erst in Zukunft spürbar werden, sind die Auswirkungen der Regierungskrise unmittelbar. Wie geht es jetzt in Berlin weiter? Was passiert mit dem Haushalt 2025? Wann gibt es Neuwahlen?
Fest steht: „Deutschland und seine Unternehmen, auch Versicherungsunternehmen, brauchen jetzt Planungssicherheit, Investitionen und Innovationen, um dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit des Landes entgegenzutreten, und das Potenzialwachstum wieder zu erhöhen“, fordert Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Versicherer (GDV). Asmussen hat hierzu einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt.
GDV-Chef: Was die neue Regierung anpacken muss
Bürokratieabbau: Das Bürokratieentlastungsgesetz IV ist ein „guter Anfang“, unklar sei aber, ob das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird. Gleichzeitig stehe eine neue Welle an Regulierungen durch die Umsetzung bereits beschlossener EU-Richtlinien bevor, die Unternehmen belasten werden. Deutschland solle sich bei der neuen EU-Kommission dafür einsetzen, diese Vorschriften zu vereinfachen und Unternehmen gezielt zu entlasten – vor allem bei den Themen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), dem europäischen Lieferkettengesetz (CSDDD), Taxonomie und Datenschutz (DSGVO).
Steuerliche Impulse: Asmussen lobt die Wachstumsinitiative der Bundesregierung. Geplante Maßnahmen wie der Abbau der kalten Progression sowie verbesserte Möglichkeiten für Investitionen in junge, innovative Technologie-Unternehmen („Venture Capital“) und erneuerbare Energien müssten aber noch ausgebaut werden. Weitere Reformen bei Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer und der Höhe der Unternehmenssteuerbelastung sind dringend nötig, ebenso die zukunftsfähige Modernisierung der für Versicherungsunternehmen so wichtigen Umsatzsteuerorganschaft. Gleichzeitig dürfen sinkende Steuern nicht durch steigende Sozialversicherungsbeiträge konterkariert werden, es geht um eine Gesamtentlastung.
Demografischer Wandel: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der bisherigen Bundesregierung sei ein gutes Element, andere müssen folgen, zum Beispiel die Ausweitung der Wochenarbeitszeit oder Anreize für weniger Teilzeitarbeit durch bessere Kinderbetreuung und Pflegeangebote für Angehörige.
Europäische und nationale Fiskalregeln: Vor dem Hintergrund dringend notwendiger Investitionen sei zusätzlicher finanzieller Spielraum erforderlich. Asmussen empfiehlt hier eine Ergänzung der Schuldenbremse um eine Investitionsklausel, wie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vorgeschlagen. Es müsse darum gehen, „privates Kapital zu aktivieren, denn mit staatlichen Mitteln allein wird die notwendige Modernisierung nicht gelingen können“.
Klimaschutz: Angesichts der Wiederwahl Trumps seien die Europäer in Sachen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit stärker in der Verantwortung. „Die steigenden Schäden durch Naturkatastrophen zeigen die Kosten des Nichtstuns für uns Versicherer bereits sehr deutlich“, so Asmussen. „Die Klimaziele müssen eingehalten, der Umbau der Wirtschaft konsequent vorangetrieben und präventive Maßnahmen wie klimaangepasstes Bauen bei Gebäuden und Städten gestärkt werden.“
AfW: Neuer Reformanlauf bei der privaten Altersvorsorge notwendig
Derweil meldet sich auch der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW zu Wort. „Wir setzen auf eine rasche Klärung der politischen Verhältnisse und die Bildung einer stabilen neuen Regierung, die die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Blick hat“, so Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. „Stabilität und Berechenbarkeit sind für die Finanzdienstleistungsbranche essenziell, um das Vertrauen von Verbrauchern und Marktteilnehmern zu erhalten und weiter zu stärken.“
Mit Blick auf die geförderte private Altersvorsorge, insbesondere das geplante Altersvorsorgedepot, sieht der AfW die aktuellen Entwicklungen mit Sorge. Der vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Finanzen wurde von vielen Seiten, auch innerhalb der Versicherungs- und Finanzbranche, grundsätzlich positiv aufgenommen und als eine notwendige Modernisierung der geförderten Altersvorsorge angesehen. „Der Entwurf bot eine echte Chance für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die private Altersvorsorge“, so Wirth. Ob es aber bis zur Amtsübernahme einer neuen Regierung überhaupt noch zur Umsetzung komme, sei fraglich. „Sollte die aktuelle Regierung nicht mehr in der Lage sein, die Reform auf den Weg zu bringen, wäre es wünschenswert, dass die kommende Regierung dieses Thema prioritär behandelt und einen neuen Anlauf unternimmt.“