12.10.2022 Branche

Expertenvorschläge zur Pflege: PKV-Verband sieht sich bestätigt

Der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium warnt vor einer Aufstockung der Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung. Zur Freude des Verbands der Privaten Krankenversicherung bringen die Experten eine Pflicht zur privaten Vorsorge ins Spiel.

Die Ausgaben der Sozialen Pflegeversicherung sind seit ihrer Einführung 1995 förmlich explodiert. (Foto: Gerd Altmann/Pixabay)
Die Ausgaben der Sozialen Pflegeversicherung sind seit ihrer Einführung 1995 förmlich explodiert.
(Foto: Gerd Altmann/Pixabay)

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat die Bundesregierung vor einer Ausdehnung von umlagefinanzierten Leistungen in der Pflegeversicherung gewarnt. „Eine weitere Aufstockung der Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung würde zu einer erheblichen Umverteilung von den jüngeren zu den älteren Generationen führen und innerhalb der älteren vor allem die Vermögenden begünstigen“ sagt Prof. Klaus Schmidt (LMU München), Vorsitzender des Beirats. Damit würde die Generationengerechtigkeit verletzt. Das Expertengremium hatte im Gutachten „Nachhaltige Finanzierungen von Pflegeleistungen“ die Wirkungen der angedachten Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag untersucht. Das Ergebnis: Sowohl die von der Ampelkoalition geplante Begrenzung der Eigenanteile in der stationären Pflege („Sockel-Spitze-Tausch“) als auch der avisierte Ausbau der gesetzlichen Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung würden die jüngeren Generationen massiv belasten.

Sinnvolle Reform der Finanzierung

 

Im Unterschied zur Rentenversicherung sei es für durchgreifende Reformen der Pflegefinanzierung noch nicht zu spät, heißt es in dem Gutachten. Der Löwenanteil der Pflegeleistungen wird von Menschen in sehr hohem Alter benötigt, meist erst 15 bis 20 Jahre nach dem Eintritt in die Rente. „Daher ist es noch möglich, die große Kohorte der „Babyboomer“, einen größeren Teil ihrer eigenen Pflegekosten selbst finanziert, indem sie genügend Kapital anspart“, argumentiert Prof. Friedrich Breyer von der Universität Konstanz, der das Gutachten federführend betreut hat. Wenn die Finanzierung der Pflegeversicherung generationengerecht ausgestaltet werden soll, hält der Beirat folgende Aspekte für vordringlich:

  • Der Anstieg des Beitragssatzes, der vom Jahr 2030 an zu erwarten ist, sollte abgeflacht werden, z.B. durch eine sofortige maßvolle Anhebung des Beitragssatzes zum Zwecke der Aufstockung des Pflegevorsorgefonds. Dieser Fonds ist wirksam vor einer vorzeitigen Entnahme der Mittel zu schützen.
  • Pflegeleistungen sollten auch in Zukunft gemeinsam von der Sozialen Pflegeversicherung und von den privaten Haushalten erbracht und finanziert werden. Die Pflegeversicherung deckt durch einen pauschalen Betrag einen Teil der Pflegeleistungen ab. Der andere Teil wird von den privaten Haushalten erbracht, sei es durch häusliche Pflege von Angehörigen oder durch private Vorsorge zur Finanzierung des Eigenanteils bei stationärer Pflege.
  • Wenn der Gesetzgeber nicht darauf vertraut, dass die Bürger ihre individuelle Ersparnis zur Vorsorge gegen diese privat zu tragenden Pflegekosten im Alter bilden und aufrechterhalten, dann könnte er alle Personen im Erwerbsalter zum Abschluss einer privaten Zusatzversicherung mit Kapitaldeckung verpflichten und dabei Menschen mit geringen Einkommen aus Steuermitteln gezielt unterstützen.


Betriebliche Pflegeversicherung als Alternative

Der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) zitiert den Bericht des Beirats ausführlich und weist auf eigene Berechnungen hin, die in die gleiche Richtung gehen: „Diverse Hochrechnungen – unter anderem vom Wissenschaftlichen Institut der PKV – haben ergeben, dass der SPV-Beitragssatz von heute 3,05 Prozent (3,4 Prozent für Kinderlose) bis 2040 auf über fünf Prozent stiegen wird.” Dabei seien die Pläne der Ampel-Koalition zur Leistungs­ausweitung noch nicht einmal berücksichtigt.

Neben der individuellen Pflegevorsorge könnte die betriebliche Pflegeversicherung eine tragende Rolle übernehmen. Als Beispiel werde im Gutachten der Tarifvertrag der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) mit dem Arbeitge­berverband der Chemischen Industrie für die Beschäftigten der genannten Branche genannt. Im Rahmen des Programms „CareFlex Chemie“ erhalten derzeit über 400.000 Personen eine Pflegetagegeldversi­cherung in Höhe von 1000 Euro monatlich im Falle stationärer Pflege ab Pflegegrad 2, und der Beitrag für die Beschäftigten selbst wird von den Arbeitgebern gezahlt. „CareFlex Chemie“ zeige einen möglichen Weg auf, wie die Pflegevorsorge für einen Großteil der Bürger zu akzeptablen Transaktionskosten erfüllt werden könnte.

Quelle: Statistisches Bundesamt
Quelle: Statistisches Bundesamt

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