11.01.2023 Branche

Globale Risiken: Inflation versus Klimaschutz

Laut Global Risks Report 2023 ist die Lebenshaltungskostenkrise das größte kurzfristige Risiko, während ein Scheitern von Klimaschutz und Klimaanpassung die größte langfristige Sorge darstellt. Der Report wurde vom Weltwirtschaftsforum in Zusammenarbeit mit Marsh McLennan und der  Zurich Insurance Group erstellt.

Angesichts der vielfältigen Risiken drohen die Erde und ihre Bewohner unter die Räder zu kommen. (Foto: Jeyaratnam Caniceus/Pixabay)
Angesichts der vielfältigen Risiken drohen die Erde und ihre Bewohner unter die Räder zu kommen.
(Foto: Jeyaratnam Caniceus/Pixabay)

Konflikte und geoökonomische Spannungen haben eine Reihe von miteinander verwobenen globalen Risiken ausgelöst. Dazu gehören Engpässe bei der Energie- und Nahrungsmittelversorgung, die in den nächsten zwei Jahren anhalten dürften, sowie ein starker Anstieg bei den Kosten der Lebenshaltung und des Schuldendienstes. Zugleich besteht die Gefahr, dass diese Krisen Bemühungen zur Bewältigung längerfristiger Risiken untergraben, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der biologischen Vielfalt und Investitionen in das Humankapital. Dies sind die Erkenntnisse des neuen Global Risks Report 2023, demzufolge sich das Zeitfenster für Maßnahmen gegen die schwerwiegendsten langfristigen Bedrohungen rasch schließt und konzertierte, kollektive Maßnahmen erforderlich sind, ehe Risiken einen Kipppunkt erreichen.

Meinungsbild der Experten

Der Bericht, der in Zusammenarbeit mit Marsh McLennan und der Zurich Insurance Group erstellt wurde, stützt sich auf die Perspektiven von über 1200 globalen Risikoexperten und führenden Persönlichkeiten aus der Politik und Wirtschaft. Er zeichnet über drei Zeitspannen hinweg ein Bild der globalen Risikolandschaft, das sowohl neu als auch fast unheimlich vertraut ist, da die Welt mit vielen bestehenden Risiken konfrontiert ist, von denen bislang angenommen wurde, dass sie im Schwinden begriffen sind.

Gegenwärtig haben die weltweite Pandemie und der Krieg in Europa die Energie-, Inflations-, Nahrungsmittel- und Sicherheitskrisen wieder in den Vordergrund gerückt. Daraus ergeben sich Folgerisiken, die in den kommenden beiden Jahren dominieren werden: das Risiko einer Rezession, eine wachsende Verschuldung, eine anhaltende Krise der Lebenshaltungskosten, eine weitere Polarisierung von Gesellschaften durch Des- und Fehlinformation, ein Stillstand bei dringenden Klimaschutzmaßnahmen und ein geoökonomischer Nullsummen-Krieg.

Klimakrise als Dauerbrenner

 

Wenn die Welt nicht beginnt, beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel effektiver zusammenzuarbeiten, wird dies in den nächsten zehn Jahren zu einer weiteren globalen Erwärmung und zum ökologischen Zusammenbruch führen. Ein Scheitern bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an seine Folgen, Naturkatastrophen, der Verlust der biologischen Vielfalt und die Umweltzerstörung stellen fünf der zehn größten Risiken dar, wobei der Verlust der biologischen Vielfalt für das kommende Jahrzehnt als eines der sich am schnellsten verschärfenden globalen Risiken betrachtet wird. Parallel hierzu besteht die Gefahr, dass geopolitische Rivalitäten und eine auf die Krisenbewältigung fokussierte Führung bislang ungekannte gesellschaftliche Not schaffen werden – und zwar als mittelbare Folge wegfallender Investitionen in Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung, was wiederum den sozialen Zusammenhalt weiter untergraben wird. Schließlich besteht bei wachsenden Rivalitäten die Gefahr einer zunehmenden geoökonomischen Militarisierung und Remilitarisierung, insbesondere durch neue Technologien und böswillige Akteure.

Beherztes Handeln gefragt

In den kommenden Jahren werden Regierungen schwierige konkurrierende Belange der Gesellschaft, der Umwelt und der Sicherheit gegeneinander abwägen müssen. Kurzfristige geoökonomische Risiken stellen schon jetzt die Netto-Null-Verpflichtungen auf die Probe und decken die Kluft auf, die zwischen dem wissenschaftlich Notwendigen und dem politisch Vertretbaren besteht. Um die Folgen einer sich erwärmenden Welt zu begrenzen, sind drastisch beschleunigte kollektive Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise erforderlich. Gleichzeitig können Sicherheitserwägungen und steigende Militärausgaben den fiskalischen Spielraum eingrenzen, den Länder haben, um die Auswirkungen einer länger anhaltenden Krise der Lebenshaltungskosten abzufedern. Ohne einen Kurswechsel könnten gefährdete Länder in eine Dauerkrise geraten, in der sie nicht in künftiges Wachstum, menschliche Entwicklung und grüne Technologien investieren können.

Der Bericht fordert führende Persönlichkeiten auf, kollektiv und entschlossen zu handeln und dabei kurz- und langfristige Perspektiven abzuwägen. Neben dringenden, koordinierten Klimaschutzmaßnahmen empfiehlt der Bericht auch gemeinsame Anstrengungen der Länder sowie eine öffentlich-private Zusammenarbeit zur Stärkung der Finanzstabilität, der Technologie-Governance, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Investitionen in Forschung, Wissenschaft, Bildung und Gesundheit.

 

Hintergrund: World Risks Report

Seit 17 Jahren warnt der Global Risks Report des World Economic Forum (WEF) vor eng miteinander verknüpften globalen Risiken. Sie ist Basis für die Global Risks Initiative des WEF, die ein besseres gemeinsames Verständnis kurz-, mittel- und langfristiger globaler Risiken fördert und so das Bewusstsein für Risikovorsorge und Widerstandsfähigkeit steigern will. Der diesjährige Bericht untersucht auch, wie das Zusammenspiel aktueller und künftiger Risiken zu einer „Polykrise“ führen kann – einem Cluster miteinander verwobener globaler Risiken, deren Auswirkungen sich mit unabsehbaren Folgen gegenseitig verstärken. Der Bericht untersucht zudem die „Ressourcenrivalität“, d.h. dem potenziellen Umfang korrelierender ökologischer, geopolitischer und sozioökonomischer Risiken im Zusammenhang mit dem Angebot an und der Nachfrage nach natürlichen Ressourcen wie Nahrungsmitteln, Wasser und Energie.


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