03.06.2021 Branche

Schuldenfalle – massiver Anstieg bei Privat­insolvenzen

Ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise geraten mehr und mehr Verbraucher in wirtschaftliche Bedrängnis. Die hohen Pleitezahlen sind allerdings auch Folge einer Gesetzesänderung.

Mehr Arbeit für deutsche Gerichte: Die Zahl der Privatinsolvenzen steigt sprunghaft. (Foto: Pixabay)
Mehr Arbeit für deutsche Gerichte: Die Zahl der Privatinsolvenzen steigt sprunghaft.
(Foto: Pixabay)

Deutschland steht vor einer Welle von Privatinsolvenzen. Im ersten Quartal 2021 haben insgesamt 31.821 Menschen den Gang zum Gericht angetreten, meldet die Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel. Das ist ein Anstieg um 56,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Crifbürgel erwartet nach zehn Jahren sinkender Zahlen für dieses Jahr eine Verdoppelung der Privatpleiten auf rund 110.000 Fälle. Betroffene Verbraucher haben vor allem Schulden bei Kreditinstituten, Versandhändlern, Versicherungen, Behörden, Vermietern, Energieversorgern und Telefongesellschaften.

Neues Gesetz ermöglicht schnellere Restschuldbefreiung

 

Der deutliche Anstieg der Pleiten zu Jahresbeginn ist nach Einschätzung des Informationsdienstleisters einer Gesetzesreform geschuldet, „die Betroffenen, statt wie bisher nach sechs, schon nach drei Jahren eine Restschuldbefreiung ermöglicht“, sagt Crifbürgel-Geschäftsführer Dr. Frank Schlein. Die Verkürzung gilt rückwirkend auch für Insolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Viele Antragssteller hätten auf den entsprechenden Beschluss des Bundestages gewartet.
 
Die unmittelbar von der Corona-Pandemie verursachte Insolvenzwelle wird nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei wohl ab dem zweiten Halbjahr 2021 einsetzen und bis ins Jahr 2022 hineinreichen. Die wirtschaftlichen Pandemie-Folgen seien nicht nur für Beschäftigte im Niedriglohnbereich existenzbedrohend, sondern auch im mittleren Einkommensbereich deutlich spürbar. Hinzu komme Arbeitslosigkeit, die ebenfalls erst in die Überschuldung und anschließend in die Privatinsolvenz führen könne.

Verbraucherschützer fordern besseres Beratungsangebot

 

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erwartet ebenfalls deutlich mehr Verbraucherpleiten und fordert von der Politik zusätzliche Beratungsangebote zur Krisenbewältigung. So seien die aktuell gestiegenen Insolvenzzahlen auch eine Folge von geschlossenen Schuldnerberatungsstellen im Lockdown. Auch für die Verbraucherschützer gibt es keine Zweifel daran, dass die Pandemie viele Haushalte wirtschaftlich schwer belastet. „Wir stellen inzwischen flächendeckend in unseren Beratungsstellen fest, dass Menschen durch die Corona-Krise in die Schuldenfalle geraten sind", sagt VZ-Referent Christoph Zerhusen.
 
Steigende Zahlen wurden Crifbürgel zufolge in der ersten drei Monaten des Jahres in allen Bundesländern festgestellt. Den stärksten Zuwachs an Privatinsolvenzen verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern (plus 86,7 Prozent), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (plus 81,1 Prozent), Hamburg (plus 77,5 Prozent) und Thüringen (plus 75,3 Prozent). Einen nur geringen Anstieg von 0,3 Prozent meldete Sachsen-Anhalt.


Weitere Artikel

Listing

16.10.2024 Branche

GKV: Die Kostenspirale dreht sich

Höhere Beitragsbemessungsgrenzen, deutlich steigender Zusatzbeitrag: Gesetzlich Versicherte müssen für die gesundheitliche Versorgung auch im kommenden Jahr deutlich tiefer in die Tasche greifen. Besserung ist nicht in Sicht.

> weiterlesen
Listing

15.10.2024 Branche

R+V-Studie: Das sind die größten Ängste in der Bevölkerung

Steigende Lebenshaltungskosten bereiten auch in diesem Jahr den Menschen die meiste Angst. Das Thema belegt Platz eins der repräsentativen Studie „Die Ängste der Deutschen 2024“, die das Infocenter der R+V Versicherung durchgeführt hat. Dicht dahinter folgt eine gesellschaftspolitische Sorge: 56 Prozent der Befragten befürchten, die Zahl der Geflüchteten könnten die Deutschen und ihre Behörden überfordern.

> weiterlesen
Listing

08.10.2024 Branche

HDI-Studie: Kinder müssen warten

Der Personalmangel wird sich weiter verschärfen. Das lässt die neueste Berufe-Studie des Versicherers HDI befürchten. Ein Grund ist, dass es hierzulande allzu oft an einer qualifizierten und zeitlich ausreichend langen Betreuung für den Nachwuchs fehlt. Das hat zur Folge, dass auch der Wunsch nach Teilzeitjobs ansteigt. Das Ausscheiden der Babyboomer-Generation kann somit kaum kompensiert werden.

> weiterlesen