Demografischer Wandel: Risiko für Länderfinanzen
Ausgerechnet die wirtschaftsstarken Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg dürften bis 2040 die größten Probleme durch die Überalterung der Gesellschaft bekommen. Das geht aus einem aktuellen GDV-Grünbuch hervor. Die Politik sei gefordert. Es gibt aber Ideen für einen neuen Länderfinanzausgleich.
Der demografische Wandel reißt bis 2040 zusätzliche Lücken in die Etats der meisten Bundesländer: Das zeigt eine aktuelle Studie aus dem „Grünbuch Alternde Gesellschaft“, das Anfang der Woche von Population Europe, einem Netzwerk von demografischen Forschungszentren in Europa, und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin vorgestellt wurde.
Südliche Bundesländer am stärksten von Überalterung betroffen
Danach übersteigen einzig in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg die altersabhängigen Einnahmen dann noch die entsprechenden Ausgaben, bei der Mehrzahl der Bundesländer führt die Alterung der Bevölkerung zu zusätzlichen finanziellen Belastungen. „Die Stadtstaaten profitieren von ihrer relativ jungen Bevölkerung. Auch in den Ländern, die bereits heute tendenziell überaltert sind, halten sich die budgetären Auswirkungen in Grenzen“, sagt Studien-Autorin Fanny Kluge vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung. So halten sich in Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland die altersabhängigen Einnahmen und Ausgaben 2040 noch die Waage. Dagegen werden die heute wirtschaftsstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg von der demografischen Entwicklung eingeholt. „Die Ausgaben für Ältere steigen besonders in Süddeutschland gravierend. In den nächsten Jahrzehnten vollzieht sich dort die gesellschaftliche Alterung, die anderswo bereits weiter vorangeschritten ist“, so Kluge.
Ihre Berechnungen, die auf sogenannten Altersstrukturkostenprofilen basieren, zeigen, wie sich die Einnahmen und Ausgaben von Bund, Ländern oder Gemeinden abhängig von der Bevölkerungsstruktur verändern. Die Ausgaben der Bundesländer – etwa für Bildung oder Soziales – fokussieren sich auf jüngere und ältere Bevölkerungsgruppen. Ihre altersabhängigen Einnahmen speisen sich dagegen überwiegend aus Steuern auf das Einkommen von Erwerbstätigen.
Alterung und schrumpfende Finanzen – ein Teufelskreis
„Die demografische und wirtschaftliche Entwicklung bedingen sich teilweise“, sagt Andreas Edel, Leiter des Forschungsnetzwerks Population Europe und Herausgeber des Grünbuchs, das aus fünf wissenschaftlichen Beiträgen besteht. Strukturschwache Gegenden werden durch Abwanderung weiter geschwächt und verlieren an Attraktivität. „Wir müssen uns deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie wir den Teufelskreis aus alternder Bevölkerung und schrumpfenden finanziellen Ressourcen durchbrechen können“, so Edel.
„Deutschland steht an einem demografischen Wendepunkt“, sagt GDV-Geschäftsführer Peter Schwark. Er räumte zwar ein, dass die Bundesregierung mit dem Ukraine-Krieg, explodierenden Gas- und Strompreisen und einer galoppierenden Inflation vor enormen Herausforderungen steht. Der GDV erwartet von der Politik gleichwohl, dass sie sich verstärkt um den demografischen Wandel kümmert, zumal die Babyboomer der 1960er-Jahre zunehmend aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden. „Trotz der aktuellen Krisen muss die Politik ihren Fokus stärker auf die Gestaltung des demografischen Wandels legen“, so Schwark.
Neue Ideen für den Länderfinanzausgleich
Für die Länderfinanzen schlägt Studien-Autorin Kluge beispielsweise ein neues Förderinstrument für überalterte und strukturschwache Regionen in Ost und West vor. „Denkbar ist die Einführung eines demografischen Faktors in den Länderfinanzausgleich nach Auslaufen des Solidarparkts II.“ Zusätzlich könnten stark altersabhängige Ausgaben auf den Bund verlagert werden. Auch könnten Kommunen oder Länder, die junge Menschen ausgebildet haben, einen Ausgleich erhalten von den Regionen, in die die Menschen nach Ende ihrer Ausbildung ziehen – ähnlich wie im Fußball. „Ausbildungsvereine erhalten eine Entschädigung, wenn junge Spieler zu einem anderen Klub wechseln, und werden auch an künftigen Transfereinnahmen beteiligt“, so Kluge.