24.06.2019 Recht | Ratgeber

Berufsunfähigkeitsversicherung: Kein Recht auf eine Leistungsverweigerung

Zum wiederholten Mal stützt die Justiz die Rechte der Versicherten in der Berufsunfähigkeit. VP-Experte Norman Wirth weiß: Unvollständige Angaben zu Gesundheitsfragen sind oft kein Kündigungsgrund.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de). (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de).
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Die Problemstellung.

Wenn ein Versicherungskunde Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung beantragt, prüft der Versicherer routinemäßig, ob der Kunde die bei Vertragsabschluss gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantwortet hat. Stellt sich dann heraus, dass der Kunde nicht alle gesundheitlichen Beschwerden oder Arztbesuche angegeben hat, wird dies vom Versicherer häufig zum Anlass genommen, den Vertrag wegen „arglistiger Täuschung“ anzufechten und die Leistungen zu verweigern. In vielen Fällen erweist sich dieses Vorgehen jedoch als rechtswidrig. Das zeigt beispielhaft die hier vorgestellte Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az. 5 U 23/16).

Der Sachverhalt.

Der Versicherungskunde hatte beim Abschluss seiner Police lediglich angegeben, eine Sehnenverletzung an der Schulter und einen Kreuzbandriss am Knie erlitten zu haben. Er verschwieg aber, dass er sich zwei Jahre vor Antragstellung in Behandlung begeben hatte. Die Hausärztin hatte damals zwecks Beantragung einer Kur ein Burn-out-Syndrom sowie Schlafstörungen diagnostiziert und dazu einen Befund geschrieben. Als der Versicherungskunde einige Jahre später Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beantragte, erklärte der Versicherer deswegen die Anfechtung und den Rücktritt vom Vertrag. Hiergegen klagte der Versicherungskunde.

Die Entscheidung.

Das Gericht stellte zunächst klar, dass allein eine objektive Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen den Versicherer nicht zur Vertragsanfechtung berechtigt. Hinzukommen müsse, dass sich der Kunde auch bewusst gewesen ist, dass es die Entscheidung über die Vertragsannahme seitens des Versicherers beeinflusst, wenn er selbst die nachgefragten Umstände nicht erwähnt. Das Gericht war davon nicht überzeugt. Es sei nämlich möglich, dass der Arztbesuch vornehmlich dazu diente, die Bewilligung einer Kur zu erreichen, die in der Folge aber nicht wahrgenommen wurde. Deshalb wurde er vom Versicherungskunden möglicherweise nicht für erheblich gehalten. Auch den Rücktritt vom Vertrag erklärte das Gericht für unwirksam. Grund: Der Versicherungskunde war bei Antragstellung nicht ausreichendend über die möglichen Folgen einer falschen Beantwortung der Gesundheitsfragen belehrt worden.

Die Folgen.

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass Versicherungskunden negative Leistungsentscheidungen ihres Berufsunfähigkeitsversicherers nicht ungeprüft hinnehmen sollten. Die falsche Beantwortung von Gesundheitsfragen berechtigt den Versicherer nicht ohne Weiteres, sich vom Vertrag zu lösen oder die Versicherungsleistungen zu verweigern. Betroffene Kunden sollten daher Rat bei einem Fachanwalt für Versicherungsrecht einholen.


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