11.11.2019 Recht | Ratgeber

Berufsunfähigkeitsversicherung: MPU ist keine medizinische Beratung

Wird in den Gesundheitsfragen eines Berufsunfähigkeitsversicherers nach einer Beratung wegen Drogen oder Alkoholkonsum gefragt, umfasst dies nicht die Teilnahme an einer MPU, erklärt der VP-Experte Norman Wirth.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Sachverhalt.

Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung wurde der Antragsteller gefragt, ob er in den vergangenen zehn Jahren wegen des Konsums von Alkohol, Betäubungsmitteln und/oder Drogen beraten oder behandelt worden war. Der spätere Versicherungsnehmerhatte während dieses Zeitraums tatsächlich an zwei Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen (MPU) teilgenommen, verneinte aber die Frage. Nachdem der Versicherer von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, erklärte er den Rücktritt vom Vertrag. Hiergegen klagte der Versicherte.

Die Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Itzehoe sah in seiner aktuellen Entscheidung vom Juni dieses Jahres in der Verneinung der Gesundheitsfrage keine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht (Az. 3 O 235/19). Zur Klärung des Sachverhaltes hörte das Gericht den Kläger an und befragte diesen insbesondere nach dem Inhalt und dem Ablauf einer MPU. Dabei kamen die Richter zu der Einschätzung, dass eine MPU weder eine Behandlung noch eine Beratung im Sinne der Gesundheitsfrage sei und wiesen deshalb die Klage des Versicherungsunternehmens ab.

Die Urteilsbegründung

Das Urteil wurde unter anderem damit begründet, dass es der MPU hinsichtlich einer Einstufung als Behandlung schon an einem Therapie- und/oder Heilungsbezug fehlt. Dieses Merkmal war daher offenkundig nicht erfüllt. Den Begriff der Beratung wertete das Landgericht Itzehoe als einen unbestimmten Rechtsbegriff. Diesen legten die Richter dann dahingehend aus, dass dieser im Zusammenhang mit der – gleichfalls erfragten – Behandlung zu sehen sei und daher ebenso keinen medizinischen Aspekt aufweise. Auch bei der Beratung fehlte es somit an einem Therapie- und/oder Heilungsbezug. Letztlich gehe es nämlich bei der MPU um eine Prüfung der Fahrtauglichkeit und dies vor allem in einem verkehrsrechtlichen Kontext. Dass der Berufsunfähigkeitsversicherer aber mit der Gesundheitsfrage gerade diese Umstände habe erfragen wollen, war für das Landgericht nicht erkennbar.

Der praktische Hinweis

Bisweilen wird zur Vorbereitung einer MPU vom Betroffenen selbst eine ärztliche und/oder psychologische Vorbereitungsmaßnahme besucht. Dies geschieht in der Regel, um auf die eigentliche Untersuchung vorbereitet zu sein. Dies könnte aber dann von der vorliegenden Fragestellung mit umfasst sein. Letztlich würde es wohl auch hier maßgeblich darauf ankommen, wie die Voruntersuchung ausgestaltet war, welchem Zweck sie diente und ob es einen Therapie- und/oder Heilungsbezug gab. Da es vorliegend aber eine derartige Maßnahme nicht gab, war der Rücktritt des Versicherers letztlich unzulässig.


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