Kolumne 05.10.2021 Recht | Ratgeber

EU-Staaten dürfen Pflicht­versicherung in der Kfz-Haftpflicht vorschreiben

Anhänger mit wechselnden in- und ausländischen Zugmaschinen sind auf deutschen Straßen nicht ungewöhnlich. Der BGH hat nun in Sachen Doppelversicherung und Innenausgleich Klarheit geschaffen, berichtet VP-Rechtsexperte Dr. Markus Weyer.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).

Die Fragestellung.

Ist dieselbe Gefahr bei mehreren Versicherern (VR) versichert, dann haftet jeder VR dem Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner, kann aber vom anderen VR Ausgleich verlangen (§ 78 VVG). Was aber gilt, wenn die Teile eines Lkw-Gespanns bei unterschiedlichen VR in verschiedenen Ländern versichert sind und der ausländische VR laut Vertrag nur eingeschränkt haftet?

Der Fall.

Ein aus Zugmaschine und Sattelauflieger bestehendes Gespann beschädigte 2015 in Deutschland ein Baustellenfahrzeug. Die Zugmaschine war in Deutschland, der Sattelauflieger in Dänemark haftpflichtversichert. Nachdem der deutsche VR den Schaden vollständig reguliert hatte, verlangte er vom dänischen VR hälftigen Ersatz gemäß § 78 VVG. Der weigerte sich und berief sich auf eine Subsidiaritätsklausel. Er müsse laut Vertrag nur dann eintreten, wenn die Zugmaschine nicht auffindbar ist oder der Geschädigte den VR der Zugmaschine erfolglos in Anspruch genommen hat. Es kam zum Streit zwischen den beiden Unternehmen.

Der Rechtsstreit.

Das LG Itzehoe (Az. 2 O 381/18) gab der Klage des deutschen VR statt. Danach wies das OLG Schleswig (Az. 7 U 181/19) die Berufung des dänischen VR zurück. Ein ausländischer VR könne § 78 VVG nicht durch eine Subsidiaritätsklausel ausschließen. Das gelte auch dann, wenn ein dänischer VR für ein Gespannteil eine nach dänischem Recht wirksame Klausel vereinbart habe.

Das endgültige Urteil.

Der dänische VR nahm seine Revision nach einem Hinweis des BGH zurück (Az. IV ZR 147/20). Der BGH gab der Revision keine Aussicht auf Erfolg. Die Versicherungspflicht nach deutschem Recht habe bei einem Unfall in Deutschland Vorrang. Entscheidend sei die europäische Verordnung „Rom II“ (EG 864/2007), auch wenn Dänemark kein Mitgliedstaat der Verordnung ist. Gemäß § 1 AuslPflVG dürfen ausländische Kraftfahrzeuganhänger in Deutschland auf öffentlichen Straßen und Plätzen nur gebraucht werden, wenn für den Halter, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung besteht. Dieser Versicherungsvertrag muss den in Deutschland geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.

Der Ausblick.

Der BGH stützte sich auf seine jüngste Rechtsprechung (Az. IV ZR 312/19) und löst damit viele problematische Fälle der Praxis. Dort werden zur Umgehung strengerer Standards Anhänger auf günstige Auslandsversicherungen „ausgeflaggt“, um dann weiterhin kostengünstig auf deutschen Straßen zu fahren. Die Entscheidung dürfte helfen, diese Praxis zu unterbinden.


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