02.12.2020 Recht | Ratgeber

Fahrverbot nach Touchscreen-Bedienung

In modernen Fahrzeugen lassen sich wichtige Funktionen teilweise nur noch per Touchscreen bedienen. Doch ein längerer Blick darauf ist wie beim Handy unzulässig. Es drohen empfindliche Strafen, berichtet VP-Experte Norman Wirth.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Sachverhalt.

Ein Tesla-Fahrer verursachte einen Unfall, als er das Intervall des Scheibenwischers am fest installierten Zentralbildschirm (Touchscreen) verstellen wollte. Dafür muss man bei diesem Fahrzeug in ein Untermenü wechseln. Dadurch abgelenkt, kam der Fahrer bei regennasser Strecke von der Bundesstraße ab, fiel eine Böschung hin­unter und kollidierte mit mehreren Bäumen. Es entstand nur ein leichter Sachschaden.

Der Rechtsstreit.

Allerdings verurteilte das Amtsgericht Karlsruhe den Autofahrer zu einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro und verhängte ein einmonatiges Fahrverbot. Das Gericht sah in dem Touchscreen ein elektronisches Gerät, das der Autofahrer vorschriftswidrig während der Fahrt bedient habe. Dagegen wandte sich der Autofahrer mit einer Rechtsbeschwerde an das OLG Karlsruhe. Seiner Auffassung nach stellt der Berührungsbildschirm ein sicherheitstechnisches Bedienteil dar.

Das Urteil.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte in seinem letztinstanzlichen Urteil (Az. 1 Rb 36 Ss 832/19) die Sanktionen gegen den Fahrer. Begründet wurde das vom Gericht mit einem Verstoß gegen Paragraf 23 Abs. 1a StVO, wonach ein elektronisches Gerät nur benutzt werden darf, wenn es weder aufgenommen noch gehalten wird und nur eine kurze „Blickzuwendung“ zu ihm erfolgt. Allgemein bekannt ist diese Regelung als Handy-Verbot beim Fahren. Laut dem OLG gilt aber auch ein fest verbauter Touchscreen als elektronisches Gerät im Sinne dieser Regelung, selbst wenn damit wichtige Funktionen wie das Scheibenwischer-Intervall verstellt werden können. Einstellungen am Touchscreen während der Fahrt vorzunehmen, ist nicht grundsätzlich verboten, es kommt jedoch darauf an, wie der Fahrer das tut. Man darf dafür den Blick nicht zu lange von der Straße abwenden. Das sei hier aber passiert und Auslöser des Unfalls gewesen.

Der Praxishinweis.

Mit dem Urteil wurde erstmals die Bedienung einer ausschließlichen Fahrzeugfunktion als Verstoß angesehen, wenn sie über einen Touchscreen erfolgt. Gerade technische Einstellungen sollten also vor Fahrtantritt vorgenommen werden. Denn Anpassungen wie zum Beispiel die Auswahl der richtigen Wischgeschwindigkeit über ein Untermenü erfordern offensichtlich zu viel Aufmerksamkeit. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu herkömmlichen Armaturen mit Hebeln und Schaltern, die sich auch bedienen lassen, ohne den Blick von der Straße zu wenden. Ein solches – regelmäßig fahrlässiges – Fehlverhalten hat jedoch keinen Einfluss auf den Versicherungsschutz bei der Kfz-Haftpflichtversicherung oder auch der Kaskoversicherung.


Weitere Artikel

Listing

08.04.2024 Recht | Ratgeber

Falsch verhalten – trotzdem versichert

Wenn der Versicherungsnehmer einen Obliegenheitsverstoß begeht, riskiert er seinen Versicherungsschutz – vorausgesetzt, der Versicherer hat sein Kürzungsrecht wirksam geregelt. In einem aktuellen Rechtsstreit um gestohlene E-Bikes war das jedoch nicht der Fall. Die VP-Rechtsexperten Schyma und Mallmann erklären, inwiefern der Versicherte davon profitierte.

> weiterlesen
Listing

26.03.2024 Recht | Ratgeber

Rechtlicher Grenzfall am Nachbargrundstück

Das OLG Saarbrücken musste entscheiden, ob die Privathaftpflichtversicherung für einen Schaden aufkommen muss, der bei Baumfällarbeiten auf einem Gewerbegrundstück entstanden ist. VP-Rechtsexperte Norman Wirth erklärt das Urteil.

> weiterlesen
Listing

11.03.2024 Recht | Ratgeber

Bei Prämienerhöhungen zählt immer der Einzelfall

Zankapfel Prämienanpassung: Regelmäßig müssen Gerichte entscheiden, ob und wann diese zulässig sind. Der BGH hat in einem aktuellen Urteil noch mal die grundsätzliche Linie vorgegeben. VP-Experte Dr. Markus Weyer erklärt, was das für Versicherte bedeutet.

> weiterlesen