15.01.2024 Recht | Ratgeber

Fehlender Produktcheck kostet Versicherungsschutz

Ist ein Produkt nicht ausreichend erprobt, besteht oft keine Deckung unter der Produkthaftpflicht. Das gilt nicht nur für Neuentwicklungen, stellte jetzt das OLG Köln klar. Die VP-Experten Jem Schyma und Raimund Mallmann erklären, worauf Versicherungsnehmer nach diesem wichtigen Urteil achten müssen.

Foto der Anwälte Jem Schyma und Raimund Mallmann und von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.

Ein Hersteller von Stromgeneratoren, die unter anderem im Schiffbau zum Einsatz kamen, hatte ein Problem: Die Generatoren einer neuen Baureihe fielen regelmäßig aus oder gerieten gar in Brand. Gerade auf Schiffen können Brände schnell zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben von Besatzung und Passagieren werden. Der Hersteller startete daraufhin umgehend eine Rückrufaktion der fehlerhaften Generatoren, in deren Folge hohe Ein- und Ausbaukosten sowie Transportkosten entstanden. Für den entstandenen Schaden sollte die Produkthaftpflichtversicherung des Herstellers aufkommen. Doch die weigerte sich, zu zahlen.

Der Rechtsstreit.

Der Versicherer wandte ein, es bestünde unter anderem deshalb kein Versicherungsschutz, weil die Generatoren nicht ausreichend erprobt gewesen seien. In der neuen Baureihe hatte der Hersteller veränderte Blechstärken (Bleche von 2,0 statt vorher 0,5 Millimetern) verbaut, was zu Überhitzungen geführt habe. Die erhöhte Wärmeentwicklung in den Generatoren wäre – so der Versicherer – im Rahmen eines Dauerlauftests aufgefallen.

Das Urteil.

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Auffassung des Versicherers (Az. 9 U 183/21). Aufgrund der Blechstärkenveränderung hätte eine neue Erprobung der Generatoren stattfinden müssen. Der Hersteller konnte vor Gericht jedoch nicht darlegen, dass er eine solche Erprobung des veränderten Produkts vorgenommen hatte. Bei einer „Erprobung“ wird das bereits fertig konzipierte und ausgestaltete Produkt im konkreten Verwendungszweck auf seine Eignung und Sicherheit überprüft.
Die Richter stellten klar: Eine Erprobung kann auch dann erforderlich sein, wenn ein schon auf dem Markt befindliches Produkt mit einem anderen Material oder einer anderen Komponente ausgestattet wird.

Die Bewertung.

Die Erprobungsklausel, nach der kein Versicherungsschutz für nicht ausreichend erprobte Produkte besteht, ist ein scharfes Schwert des Versicherers. Was viele Produzenten nicht wissen: Nicht nur vor dem Inverkehrbringen des Produkts muss eine Erprobung erfolgen, sondern auch bei jeder wesentlichen Veränderung am Produkt. Gerichte setzen hier oftmals strenge Anforderungen.
Die Entscheidung des OLG Köln betrifft insbesondere Hersteller und Lieferanten, deren Produkte aus mehreren Komponenten bestehen. Jede Änderung von Bauteilen oder Materialien sollte routinemäßig eine Erprobung der Gesamtsache zu Folge haben. Die Erprobung ist präzise zu dokumentieren, um bei einem juristischen Streitfall vor Gericht die Oberhand zu behalten.


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