Kolumne 02.11.2021 Recht | Ratgeber

Geständnisse eines Versicherers
 

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass Versicherer ihre Kunden über die Unwirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) informieren müssen. Warum das Urteil die Position von Versicherungsnehmern deutlich stärkt.

Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Malte Krohn von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de (Foto: WILHELM Rechtsanwälte)
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Malte Krohn von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte)

Die Ausgangslage.

Der Versicherungsvertrag verspricht Versicherungsschutz: Er ist das „Produkt“ eines Versicherungsunternehmens. Doch auch Versicherungsunternehmen „schrauben“ an ihren Produkten herum – ähnlich wie z. B. Autohersteller. Das verwendete Werkzeug ist jedoch die Sprache. Während Autos sich in die Umwelt einfügen, Sicherheitsvorschriften (und Abgaswerte) einhalten müssen, sind Versicherungsprodukte hingegen „nur“ eine vertragliche Abrede. Das europäische Verbraucherschutzrecht sieht daher zahlreiche Schranken für Klauseln in Versicherungsverträgen vor. Durchbricht eine Klausel eine dieser Schranken, sanktioniert dies das Gesetz. Verbraucherschutzverbände wirken hier wie die Polizei. Sie kontrollieren die Vertragsklauseln und bringen rechtswidrige Klauseln vor Gericht, bevor von diesen weiterer Schaden ausgehen kann. Die Gerichte erklären unzulässige Forumulierungen dann für unwirksam.

Der Rechtsstreit.

Der Rechtsstreit. In dem Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es um die zeitliche Einordung eines Rechtsschutzfalls. Die strittige Ausschlussklausel in den ARB eines großen deutschen Versicherers erklärte der BGH für unwirksam (Az. IV ZR 221/19 – Thema unserer nächsten Kolumne).

Das Urteil.

Die Richter entschieden außerdem – und das ist das Reizvolle an dem Fall –, dass der Versicherer alle seine betroffenen Kunden über die Unwirksamkeit der Klausel informieren muss. Der BGH möchte also sicherstellen, dass von der unwirksamen Klausel künftig für keinen Versicherungsnehmer eine Gefährdung ausgehen kann. Daher sollen alle betroffenen Versicherungsnehmer wissen, dass ihr Versicherer in seinem Versicherungsvertrag eine von der Rechtsordnung gezogene Grenze überschritten hat. Unterlässt ein Versicherer den gebotenen Hinweis, so setzt er sich künftig dem Abmahnrisiko durch einen Verbraucherverband aus.

Die Folgen.

In der Konsequenz werden die Versicherungsnehmer künftig häufiger Post von ihrer Versicherungs­gesellschaft erhalten, die darin über die Unwirksamkeit einer Klausel informiert. Sollte später ein Schadenfall eintreten, kann das die Situation des Geschädigten nachhaltig verbessern. Für Vermittler wie auch Kunden lohnt es sich also, beim Erhalt des nächsten Schreibens des Versicherers abzuklären, was die Streichung einer konkreten Vertragsklausel für den Versicherungsschutz bedeutet – und ob sich durch die Vertragsänderung Verbesserungen für die Position des
Versicherungsnehmers erreichen lassen.


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