06.05.2024 Recht | Ratgeber

OLG-Urteil stärkt Rechte von Versicherten

Klare Worte des Oberlandesgerichts Saarbrücken: Ein Unfallversicherer darf die Zahlung einer Rente nicht unbedingt verweigern, nur weil die Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität abgelaufen ist. VP-Rechtsexperte Norman Wirth erklärt, welche Bedeutung das Urteil für Versicherte hat.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Fall.

Ein Mann war bei einem Sturz auf Blitzeis auf die rechte Hand gefallen. Da er zunächst nicht von einer ernsthaften Verletzung ausging, ging er nicht gleich zum Arzt. Im weiteren Verlauf wurden die Beschwerden jedoch stärker, sodass der Kläger etwa zwei Monate nach dem Unfall beim Orthopäden vorstellig wurde. Eine Operation brachte keine Besserung der Beschwerden. Der behandelnde Orthopäde stellte ein Attest zur Vorlage bei der Unfallversicherung aus. Darin bescheinigte er, dass sich sein Patient bei dem fraglichen Unfall eine Verletzung des rechten Handgelenks zugezogen habe, aus der ein Dauerschaden resultiere.

Der Rechtsstreit.

Der Unfallversicherer lehnte die Zahlung einer Invaliditätsleistung ab, da ein unfallbedingter Schaden nicht nachgewiesen sei. Hiergegen erhob der Versicherte Klage. Im Prozess berief sich der Unfallversicherer zusätzlich darauf, dass die ärztliche Bescheinigung zur Feststellung der Invalidität angeblich unzureichend sei.

Das Urteil.

Der Fall wurde schließlich vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken (Az. 5 U 97/20) verhandelt. Die Kammer stellte fest, dass die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann. In diesem Fall schadet es dem Versicherungsnehmer nicht, wenn er die Frist versäumt. Dies komme, so das Gericht, dann in Betracht, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht darüber aufklärt, dass ein Fristablauf bevorsteht. Das könne etwa der Fall sein, wenn der Versicherer innerhalb der Frist erkennt, dass der Versicherte Invalidität geltend machen will, das von ihm vorgelegte Attest den Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung aber nicht genügt oder gar gänzlich fehlt. Diese Voraussetzungen sah das OLG hier als gegeben an. Wenn aus dem ärztlichen Invaliditätsnachweis hervorzugehen hat, ob der Dauerschaden innerhalb eines Jahres eingetreten ist, hätte der Versicherer darauf ausdrücklich hinweisen müssen. Dies war im Streitfall jedoch nicht geschehen.

Die Bewertung.

Das OLG-Urteil ist von grundsätzlicher Bedeutung. Häufig lehnen Unfallversicherer die Zahlung einer Invaliditätsleistung mit der Begründung ab, der Versicherungsnehmer habe eine ärztliche Bescheinigung, die den Eintritt einer unfallbedingten Invalidität bestätigt, nicht innerhalb der vertraglichen Frist vorgelegt – oder sie sei zwar fristgerecht eingeholt worden, aber inhaltlich ungenügend. Das OLG Saarbrücken hat klargestellt, dass es im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn sich die Versicherung auf das Fristversäumnis beruft.


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