Kolumne 12.07.2022 Recht | Ratgeber

PKV: Was bei ambulanten Heilbehandlungen gilt

Die private Krankenversicherung muss Transportkosten, die im Zusammenhang mit der Dialysebehandlung in einer Arztpraxis anfallen, nicht übernehmen. Über das Urteil informiert VP-Experte Norman Wirth.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Fall.

Die an einer Niereninsuffizienz schwer erkrankte Versicherungsnehmerin wurde mehrfach wöchentlich in einer 3,5 Kilometer von ihrem Wohnort entfernten Arztpraxis dialysiert. Für die Behandlungstage stellte die Praxis der Patientin Dauertransportscheine aus. Für die Transporte entstanden Kosten in Höhe von über 4000 Euro.

Der Streit.

Die Frau begehrte von ihrer privaten Krankenversicherung die Übernahme der Transportkosten. Die Versicherung lehnte aber unter Berufung auf ihre Tarifbestimmungen ab. Demnach sind bei ambulanter Heilbehandlung Aufwendungen für medizinisch notwendigen Transport erstattungsfähig, die im unmittelbaren Zusammenhang mit einer „ambulanten Operation“ stehen. Auch sind bei „stationärer Heilbehandlung“ Aufwendungen für den medizinisch notwendigen Transport „zum und vom Krankenhaus“ erstattungsfähig. Die Parteien gerieten in Streit darüber, ob einer dieser beiden Fälle vorlag.

Die Entscheidung.

Der Klage wurde in erster Instanz überwiegend stattgegeben. Die Dialysebehandlungen wiesen einen teilstationären Charakter auf. Was unter „stationärer Heilbehandlung“ zu verstehen sei, sei unklar. Diese Unbestimmtheit müsse der Verwender gegen sich gelten lassen. Dagegen wehrte sich die beklagte Versicherung erfolgreich mit ihrer Berufung vor dem OLG Nürnberg (Az. 8 U 224/21). Bei den Dialysebehandlungen handle es sich nicht um eine „ambulante Operation“ oder eine „stationäre Heilbehandlung“ im Sinne der vertraglichen Regelungen. Im Hinblick auf die Blutwäsche sei kein ärztlicher Eingriff in die körperliche Integrität der Klägerin vorgenommen worden. Der Arzt habe im Rahmen der Dialyse ihren Zustand und das Dialysegerät überprüft. Für eine Operation sei jedoch ein chirurgischer Eingriff in den Organismus erforderlich. Die Dialysebehandlungen sind laut Urteil also weder als teil- noch als vollstationäre, sondern als ambulante Heilbehandlungen aufzufassen, da bei einer solchen Behandlung der gewohnte Lebensrhythmus weitestgehend unberührt bleibt. Bei einer teil- oder vollstationären Behandlung dagegen verlagere sich der Lebensmittelpunkt für eine gewisse Dauer in die „Station“, was in diesem Fall aber nicht geschehen ist. Überdies ist gemäß Vertragsbedingungen die Kostenerstattung auch bei stationären Heilbehandlungen auf Transporte „zum und vom Krankenhaus“ beschränkt. 

Die Bewertung.

Der Senat hält das auf die Transportkosten bezogene Leistungsversprechen für hinreichend transparent. Der in den Bedingungen gesteckte Leistungsrahmen enthält Einschränkungen, die von Versicherungsnehmern aus meiner Sicht hinzunehmen sind.


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