Private Krankenversicherung: Zweifel an Neutralität des Treuhänders
Kann ein Treuhänder, der im Auftrag einer Versicherung Prämienerhöhungen überprüft, wirklich unabhängig sein? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich jüngst dieser Frage gewidmet. Das komplexe Thema ordnet VP-Experte Dr. Markus Weyer ein.
Die Ausgangslage.
In der privaten Krankenversicherung (PKV) kann der Versicherer (VR) nur die nach den technischen Berechnungsgrundlagen des VVG (Versicherungsvertragsgesetz) und VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) kalkulierte Prämie verlangen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist er berechtigt, die Prämie neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat (§ 203 VVG). Was aber, wenn Zweifel an dessen Unabhängigkeit bestehen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier Klarheit geschaffen.
Der Fall.
Ein Versicherungsnehmer (VN) wandte sich gegen Beitragserhöhungen seines VR und verlangte die Rückzahlung zu viel gezahlter Prämien. Schließlich habe der Treuhänder, der die Prämienerhöhungen abgesegnet hatte, für seine Tätigkeit 15 Jahre lang Lohn vom VR erhalten. Er sei daher wirtschaftlich von diesem abhängig und könne gar nicht unabhängig im Sinne des Gesetzes sein. Das sah der VR anders. Seine Argumentation: Der Treuhänder sei nie bei ihm angestellt gewesen. Er habe auch für andere VR gearbeitet. Es kam zum Streit.
Der Rechtsstreit.
Das Landgericht Potsdam (Az. 6 S 80/16) gab dem VN Recht und verurteilte den VR zur Erstattung der 2012 bis 2015 gezahlten Erhöhungsbeträge. Begründung: Wer mehr als 30 Prozent seiner Einkünfte von einem VR beziehe, für den er über 15 Jahre tätig war, sämtliche Prämienanpassungen geprüft habe und von dem er ein Ruhegehalt beziehe, könne nicht unabhängig sein.
Das Urteil.
Der BGH gab der Revision des VR statt. Im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung in der PKV ist die Unabhängigkeit des zustimmenden Treuhänders von den Zivilgerichten nicht gesondert zu überprüfen. Insgesamt gibt das Aufsichtsrecht die Anforderungen an den Treuhänder vor und sichert zugleich die zu beachtenden Interessen der Versicherten. Hierfür wird dem Treuhänder eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde auferlegt (BT-Drucks. 12/6959). Der Treuhänder ist „vorgeschaltete Informationsquelle“ der darüber entscheidenden Aufsichtsbehörde. Daran hat das neue VVG nichts geändert. Der VN kann allerdings im Zweifel jederzeit überprüfen lassen, ob die Beitragsanpassung gerechtfertigt ist.
Der Ausblick.
Der BGH verwies den Streit an das LG Potsdam zurück. Es betonte allerdings, dass es zivilrechtlich zu überprüfen bleibt, ob die Prämienanpassung an sich ausreichend begründet wurde und ob die
materiellen Voraussetzungen dafür vorliegen.