Kolumne 18.10.2022 Recht | Ratgeber

Schlampige Dokumentation kann teuer werden

Deckt ein Vermittler den Schutz seines Kunden um, ist eine Dokumentation der Beratung doppelt wichtig. Denn für entstehende Lücken haftet sonst der Vermittler, wissen die VP-Experten Jem Schyma und Raimund Mallmann.

Foto der Anwälte Jem Schyma und Raimund Mallmann und von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.

Ein Mehrfachagent riet seinem Kunden, einem verbeamteten Feuerwehrmann, zur Umdeckung seiner bisherigen Berufsunfähigkeits- und Dienstunfähigkeitsversicherung. Der Feuerwehrbeamte, dem es in erster Linie um die Kostenersparnis ging, kündigte daraufhin beide Policen und schloss eine neue Versicherung ab. Einige Zeit später erklärte sein Dienstherr den Feuerwehrmann für dienstunfähig. Erst jetzt bemerkte der Versicherungsnehmer, dass die neue Versicherung nur noch die Berufsunfähigkeit absicherte – jedoch nicht mehr auch die Dienstunfähigkeit.

Der Rechtsstreit.

Der Feuerwehrbeamte wollte so gestellt werden, als unterhielte er weiterhin die Dienstunfähigkeitsversicherung, und verklagte den Versicherungsvertreter und den neuen Versicherer. Im Prozess war streitig, ob der Versicherungsvertreter den Feuerwehrmann auf die nach der Umdeckung verbliebene Deckungslücke hingewiesen hatte. Der Versicherungsvertreter konnte hierzu lediglich eine Gesprächsnotiz vorlegen, auf der „BU/DU“ stand.

Die Entscheidung.

Das Landgericht Erfurt gab dem Feuerwehrbeamten recht (Az. 8 O 860/20) und stellte fest, dass der Versicherungsvertreter und der Versicherer als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Feuerwehrmann eine monatliche Dienstunfähigkeitsrente zu zahlen. Höhe und Dauer der Zahlung richten sich dabei nach dem früher bestehenden Versicherungsvertrag. Zwar müsse grundsätzlich der Versicherungsnehmer eine Beratungspflichtverletzung des Vermittlers beweisen. Wenn bei einer Umdeckung jedoch Deckungslücken aufträten, müsse der Vermittler auf diese hinweisen und die entsprechende Beratung dokumentieren. Denn der Versicherungsnehmer rechne bei einer Umdeckung nicht mit einer Verschlechterung des  Versicherungsschutzes. Der Versicherungsvertreter konnte im vorliegenden Fall nicht nachweisen, dass er über den Wegfall des Dienstunfähigkeitsversicherungsschutzes beraten hatte. Die vorgelegte Gesprächsnotiz reichte dem Gericht nicht als Nachweis, dass die Beratung entgegen der (fehlenden oder unvollständigen) Dokumentation trotzdem mündlich stattgefunden habe. Der somit feststehende Beratungsfehler führe dazu, dass sowohl der Versicherungsvertreter als auch der neue Versicherer auf Quasideckung haften.

Die Konsequenzen.

Das Urteil belegt den Stellenwert der Beratungsdokumentation. Optimal ist ein vom Kunden gegengezeichnetes Beratungsprotokoll. Insbesondere wenn ein Kunde bereit ist, für eine Kostenersparnis auf Teile seines Versicherungsschutzes bewusst zu verzichten, sollte der Vermittler dies detailliert dokumentieren. Vermittler, die hier schlampen, müssen am Ende selbst zahlen.


Weitere Artikel

Listing

15.07.2024 Recht | Ratgeber

Die Grenzen von Telematik-Tarifen

Gesünder leben und Prämien sparen: Telematik-Tarife werden bei Berufsunfähigkeits­versicherern immer beliebter. Doch die Klauseln müssen ausreichend transparent sein, stellte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klar. FOCUS MONEY-­Versicherungs­profi-­Experte Dr. Markus Weyer erklärt, warum das Urteil für die Branche so bedeutend ist.

> weiterlesen
Listing

02.07.2024 Recht | Ratgeber

Ombudsmann entscheidet über Angehörigenklausel

Haftpflichtansprüche zwischen zusammenlebenden Familienmitgliedern sind nicht versichert. Doch was, wenn eine GbR mit im Spiel ist? Diese Frage musste der Versicherungsombudsmann klären. Die Rechtsexperten des FOCUS MONEY-Versicherungsprofi, Jem Schyma und Raimund Mallmann, erläutern die Entscheidung der Schlichtungsstelle.

> weiterlesen
Listing

17.06.2024 Recht | Ratgeber

Muss Versicherung an Verkehrsrowdy zahlen?

Ein Autofahrer crashte seinen Sportwagen nach einem missglückten Drift-Versuch. Bei grober Fahrlässigkeit wäre der Versicherer in der Pflicht, bei Vorsatz nicht. Das Landgericht Coburg hatte hier eine klare Meinung. VP-Experte Norman Wirth erklärt, was das Urteil für Autofahrer bedeutet.

> weiterlesen