Kolumne 21.09.2021 Recht | Ratgeber

Vertrauen gebrochen – und selbst schuld?
 

Ein wichtiger Fall für unsere zwei Experten Schyma und Krohn: Immer öfter verweigern die Versicherer in der Vertrauensschadenversicherung die Leistung, wenn Mitarbeiter kriminell werden. Die Begründung: „Ihr hättet eben besser aufpassen müssen.“ Das darf keine Schule mache.

Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Malte Krohn von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de (Foto: WILHELM Rechtsanwälte)
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Malte Krohn von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte)

Die Ausgangslage.

Eine Vertrauensschadenversicherung soll Unternehmen vor Vermögensschäden aus unerlaubten oder strafbaren Handlungen schützen, die von eigenen Mitarbeitern, sogenannten Vertrauenspersonen, oder auch durch Dritte begangen werden. Seit einigen Jahren kürzen Versicherer in Schadenfällen jedoch regelmäßig ihre Leistungen mit dem Argument: Das Risikomanagement des versicherten Unternehmens sei mangelhaft gewesen. Dadurch hätte es den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt (§ 81 Abs. 2 VVG) – also geradezu Mitarbeiter zum Betrug eingeladen. Das bislang einzige OLG-Urteil zu diesem Thema gab dem Versicherer Recht.

Der Fall.

Im zugrunde liegenden Fall machte ein Unternehmen Ansprüche aus einer Vertrauensschadenversicherung gegen den Versicherer geltend. Ein eigener Mitarbeiter fälschte Zahlungsanweisungen und erbrachte Zahlungen an befreundete Unternehmer, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Der Versicherer stellte eine Entschädigung in Aussicht, wollte jedoch eine Mitverschuldensquote in Höhe von 30 Prozent von der Versicherungsleistung abziehen. Weil die Sicherheitsvorkehrungen der Versicherungsnehmerin nicht ausreichten, liege eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls vor. Das akzeptierte das
betroffene Unternehmen nicht.

Der Rechtsstreit.

Die Versicherungsnehmerin klagte auf die volle Versicherungsleistung. Das Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2/08 O 258/10) wies die Klage jedoch ab. Es folgte dabei der Argumentation des Versicherers und kürzte den Anspruch auf die Versicherungsleistung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls um 30 Prozent.

Das Urteil.

In der Berufungsinstanz gab das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 3 U 204/11) dem Landgericht überwiegend Recht. In der wenig differenzierten Entscheidung hielt das OLG § 81 Abs. 2 VVG für anwendbar und kürzte den Anspruch wegen nicht ordnungsgemäßer Compliance-Strukturen. Zu einer Überprüfung des Urteils durch den BGH kam es in der Folge nicht mehr.

Die Konsequenzen.

Wenn schon allein der Eintritt eines Schadens ein Beleg für mangelhaftes Risikomanagement ist, wird jede Versicherung obsolet. Das gilt nicht nur für die Vertrauensschadenversicherung, sondern etwa auch für
die immer wichtiger werdende Cyberversicherung, wo Anbieter ebenfalls hohe Anforderungen an das Risikomanagement des Versicherungsnehmers stellen. Es ist daher zu hoffen, dass die bisherige Entwicklung der Rechtsprechung noch korrigiert wird.


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