Beitragserhöhungen: Hohe Wechselbereitschaft in der GKV
Im Zuge der sich anbahnenden Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung denkt die Mehrheit der Deutschen über einen Kassenwechsel nach. Eine aktuelle Studie zeigt: Vor allem Familien, die unter den inflationsgetriebenen Kostenerhöhungen leiden, weisen eine hohe Wechselbereitschaft auf.
Die Bundesregierung plant, den Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab 2023 um 0,3 Prozentpunkte zu erhöhen. Die Folge ist, dass viele Versicherte mit einem Wechsel ihrer Kasse liebäugeln. Das geht zumindest aus der repräsentativen Studie „Beitragserhöhung und Wechselbereitschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung 2022“ der internationalen Unternehmensberatung Horváth unter 1000 Bundesbürgern hervor.
Hohe Wechselbereitschaft in der GKV, inklusive Wechsel in die PKV
Demnach denkt mehr als die Hälfte der Bevölkerung aktuell darüber nach, die Krankenkasse zu wechseln (56 Prozent). In der Gruppe der gesetzlich Versicherten erwägen sogar fast 60 Prozent anlässlich der bevorstehenden Beitragserhöhung einen Wechsel: 45 Prozent zu einer anderen GKV und weitere 14 Prozent in die private Krankenversicherung. Vor allem Familien, die unter den inflationsgetriebenen Kostenerhöhungen besonders leiden, zeigen eine hohe Wechselbereitschaft, so die Studienautoren. „In früheren Erhebungen waren es vor allem Singles, die ihre Krankenkasse regelmäßig in puncto Preis-Leistung unter die Lupe genommen haben. Jetzt sind es mit großer Mehrheit Familien, die aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten über einen Wechsel nachdenken“, sagt Simon Arne Manner, Studienleiter und Partner bei der Horváth AG. In Single-Haushalten liegt die Wechselbereitschaft knapp unter 50 Prozent, bei Haushalten mit Kindern über 70 Prozent.
Einsparpotenzial im Vergleich zu anderen Lebensbereichen gering
Die Studie lässt unerwähnt, wie groß die Unterschiede der jeweiligen Zusatzbeiträge der gesetzlichen Kassen sind. Sie reichen derzeit von 0,40 (BKK Pfaff) bis 1,7 Prozent (AOK Nordost/Nordwest). Dabei muss man wissen, dass viele Kassen den Versicherten nicht bundesweit offen stehen, sondern nur in einzelnen Bundesländern. Das Potenzial zur Kostensenkung wird laut Manner allerdings häufig überschätzt: „Verglichen mit Sparmaßnahmen bei Energie- oder Mobilitätskosten hat ein Wechsel zu einer Krankenkasse mit geringfügig niedrigerem Beitrag auch in einer mehrköpfigen Familie keinen sehr großen Effekt. Die Beiträge unterscheiden sich bei genauem Blick auf die Leistungen und Zusatzangebote nur minimal.“
Wie die Studie zeige, wollen die Versicherten bei den Versorgungsleistungen keine Abstriche machen. Der Kostendruck führe in der Bevölkerung und gerade bei Familien, deren Lebenshaltungskosten enorm gestiegen sind, aber zu großem Handlungsdruck, an jeder möglichen Stelle sparen zu müssen. Die Versicherungen sollten die angespannte Stimmung daher nicht auf die leichte Schulter nehmen, zumal eine Beitragsveränderung den Versicherten ein Sonderkündigungsrecht ermöglicht – wie beim Stromanbieter. Auch der Wechselvorgang selbst sei inzwischen ähnlich einfach. „Konnten die Kassen früher mit mindestens zwölf Monaten Bindung planen, ist nun mit massenhaften Bewegungen zu rechnen“, so Manner.
Versorgungsangebote ähnlich wichtig wie der Preis
Auch wenn die geplante Beitragsanpassung für viele Befragte Anlass zum Wechsel ist, bedeutet dies laut Studie nicht automatisch, dass man zur Kasse mit dem günstigsten Gesamtbeitrag wechselt. Über alle Befragten liegt das Kriterium „niedrige Kosten“ zwar leicht vor „bessere Versorgungsangebote“ (62 Prozent zu 58 Prozent). Bei Familien ist es jedoch genau umgekehrt: Hier liegt die Versorgung mit 56 Prozent knapp vor den niedrigen Kosten (55 Prozent), denn der Wechsel soll keine Abstriche bei der Versorgungsqualität bedeuten. Guter und schneller Kundenservice landet aktuell in beiden Gruppen mit Abstand (37 Prozent) an dritter Stelle. Digitale Angebote und Nachhaltigkeit folgen auf Platz vier und fünf. „Die Kassen können sich auf die bevorstehenden Wechselbewegungen vorbereiten, indem sie ihre Vertriebsaktivitäten hochfahren und in den Kampagnen gezielt ihre Kernleistungen und handfesten Mehrwerte bewerben. So lassen sich Neukunden gewinnen und Bestandskunden halten“, sagt Manner.