16.07.2021 Sparten/Produkte

PKV-Verband gegen Linken-Pläne zur Bürger­versicherung

Die Links-Fraktion im Bundestag hat ihr Konzept zur Bürgerversicherung von Gesundheitsökonomen durchrechnen lassen.
Nach Meinung des Verbands der Privaten Krankenversicherer (PKV) hält es „einer genauen Betrachtung” nicht stand.

Ohne die Privatversicherte fehlen einer durchschnittlichen Arztpraxis laut PKV-Verband Einnahmen von über 55.000 Euro im Jahr. (Foto: © joyfotoliakid - stock.adobe.com)
Ohne die Privatversicherte fehlen einer durchschnittlichen Arztpraxis laut PKV-Verband Einnahmen von über 55.000 Euro im Jahr.
(Foto: © joyfotoliakid - stock.adobe.com)

Die Linksfraktion im Bundestag hat die ihr Modell einer Bürgerversicherung in GKV und Pflege von den Bremer Gesundheitsökonomen Prof. Heinz Rothgang und Dominik Domhoff durchrechnen lassen. Bei den gesetzlichen Kassen erwarten die Experten Mehreinnahmen von 76 Milliarden Euro, in der sozialen Pflegeversicherung von über 16 Milliarden Euro pro Jahr. Das Modell fußt darauf, dass jeder in Deutschland lebende Mensch in der sogenannten „Solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung“ ist. Alle Einkommensarten, also auch Zins- und Kapitalerträge, werden beitragspflichtig. Die Beitragsbemessungsgrenze wird abgeschafft oder erreicht zumindest die Höhe in der Rentenversicherung (West).

Nach Rothgangs Berechnungen könnte der Beitragssatz in der GKV so theoretisch um 3,5 Punkte auf 12,1 Prozent sinken. Teilt man die Versicherten in zehn Einkommensgruppen auf, so würden 80 Prozent – nämlich alle Beitragszahler unterhalb eines Monatsbruttos von 6232 Euro – geringere Beiträge zahlen. Das gutsituierte neunte Dezil der Versicherten müsste fünf Prozent mehr zahlen, bei den reichsten zehn Prozent wären es 58 Prozent mehr.

PKV: Massive Beitragserhöhung für die Mittelschicht

 

Der Verband der Privaten Krankenversicherer (PKV) lässt an dem Modell kein gutes Haar: „Der größte Teil des Finanzeffekts ergäbe sich durch massive Beitragserhöhungen für die Mittelschicht und drastisch höhere Lohnzusatzkosten für qualifizierte Arbeitsplätze." Von den verheißenen 3,5 Prozentpunkten weniger Beitragssatz gingen alleine 2,2 Prozentpunkte auf faktische Beitragserhöhungen für Millionen Versicherte zurück – durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf mindestens 7.100 Euro Monatsbrutto und die Beitragspflicht für alle Einkommensarten (also auch Mieterträge und Sparzinsen). 

Laut Linksfraktion würden von den – dann ehemaligen – PKV-Versicherten 50 Prozent entlastet. Bei weiteren 30 Prozent wären Ent- und Belastungen moderat. Dagegen müssten die zehn Prozent der vermögendsten Versicherten Beitragssprünge bis zu 90 Prozent hinnehmen. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch: „Wir wollen konkret die übergroße Mehrheit der Menschen entlasten und die reiche Minderheit belasten.“

Weniger Geld im System

 

Laut PKV-Verband brächte die Einbeziehung der Privatversicherten nur eine Ersparnis von 0,6 Prozentpunkten ein – „wobei das zugrunde gelegte Szenario, dass auf einen Schlag alle knapp neun Millionen Privatversicherten zwangsweise in die GKV wechseln würden, schon rein rechtlich völlig unrealistisch wäre”. Überdies ergebe sich die vermeintliche Ersparnis durch Einbeziehung der Privatversicherten in die GKV vor allem dadurch, dass ihre PKV-typischen höheren Honorare wegfallen würden. Für Ärzte und Krankenhäuser, Physiotherapeuten und Hebammen würden dann pro Jahr schlagartig 12,7 Milliarden Euro Mehrumsatz fehlen. „Dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland dadurch besser würde, kann wohl niemand glauben”, heißt es im PKV-Statement.

Andere Experten, andere Zahlen

 

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat kürzlich ebenfalls nachgerechnet und kommt zu dem Ergebnis, dass das Solidaritätsprinzip in einer Bürgerversicherung nicht nachhaltig gestärkt würde. Wenn die bestehenden GKV-Regeln auf die gesamte Bevölkerung angewendet würden – also der PKV-typische Mehrumsatz wegfiele – ergäbe sich demnach eine theoretisch mögliche Senkung des Beitragssatzes um 0,8 bis 1,0 Prozentpunkte. Doch das wäre nur ein kurzes Strohfeuer, denn schon nach rund sechs Jahren wäre wieder das Ausgangsniveau erreicht – mit dann weiter steigender Tendenz, prognostiziert das IW.


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