18.12.2023 Studien | Tests

BU: Muss man Lampenfieber angeben?

Kurioser Fall: Das OLG Dresden musste entscheiden, ob es eine Anzeigepflichtverletztung darstellt, wenn man bei den Gesundheitsfragen zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht angibt, wegen Lampenfiebers ärztlich behandelt worden zu sein.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Fall.

Eine Künstlerin verlangte Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Versicherungsantrag hatte sie alle Fragen zu Krankheiten und Beschwerden verneint. Später stellte sich allerdings heraus, dass sie in der Vergangenheit, und zwar im Rahmen ihrer fünf Jahre zurückliegenden Abiturprüfungen, wegen Lampenfiebers einen Arzt aufgesucht hatte. Die Versicherung lehnte daraufhin die Leistung unter Berufung auf eine Anzeigepflichtverletzung ab. Sie meinte, dass das Lampenfieber eine gesundheitliche Beschwerde sei, die die Versicherungsnehmerin nicht hätte verschweigen dürfen, gerade weil sie deshalb einen Arzt konsultiert hatte.

Das Urteil.

Das Oberlandesgericht Dresden (Az. 4 U 1215/22) entschied zugunsten der Klägerin. Es stellte fest, dass es sich bei Lampenfieber, das unterhalb der Schwelle zur krankhaften Prüfungsangst liegt, weder um eine anzeigepflichtige Krankheit noch eine anzeigepflichtige gesundheitliche Beschwerde handle. Lampenfieber vergehe schnell und sei deshalb offenkundig belanglos.

Die Begründung.

Das Gericht führte aus, dass eine Anzeigepflichtverletzung eine bewusste oder fahrlässige Falschauskunft voraussetzt. Die Klägerin konnte glaubhaft machen, dass sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr an den Arztkontakt wegen Lampenfiebers erinnert habe. Diese Unkenntnis wurde nicht als fahrlässig angesehen, da das Lampenfieber als ein alterstypisch ausgeprägtes und vergängliches Phänomen eingestuft wurde, das sogar zeitweilig die Konzentration erhöhen könne.

Die Folge.

Das Urteil betont die Bedeutung der Abgrenzung zwischen bedeutenden und unbedeutenden Gesundheitsbeeinträchtigungen im Kontext von Versicherungsanträgen. Es hebt hervor, dass nicht jede geringfügige oder vorübergehende Beeinträchtigung und auch nicht jeder Arztbesuch angezeigt werden muss. Dies ist relevant für Fälle, in denen die Gesundheitsbeeinträchtigung als geringfügig oder vorübergehend eingestuft werden kann.

Die Einschätzung.

Die Entscheidung könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen, in denen Versicherungsnehmer mit der Frage konfrontiert sind, ob geringfügige oder vorübergehende Gesundheitsprobleme bei der Beantragung einer Versicherung angegeben werden müssen.
Mit der Entscheidung wird die Position der Versicherungsnehmer in solchen Fallkonstellationen gestärkt. Allerdings bleibt es wichtig, bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen im Rahmen einer Versicherungsantragstellung sorgfältig und wahrheitsgetreu vorzugehen.


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