Neues Finanztool für Betriebe: Fragen an den DIN 77235-Macher
VP-Online sprach mit Dr. Klaus Möller über die neue Geschäftskundennorm DIN 77235. Der Finanzexperte war maßgeblich an der Entwicklung der „KMU-Norm“ beteiligt und erklärt, wie die „große Hilfe für kleine und mittlere Unternehmen“ funktioniert.
Vor kurzem ist die neue Gewerbenorm DIN 77235 in Kraft getreten. Sie trägt den Namen „Basis-Finanz- und Risikoanalyse für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen“ (KMU). Das Regelwerk soll Gewerbebetrieben und Selbstständigen dabei helfen, versicherbare Haftungsrisiken abzubilden und Geschäftspotenziale darzulegen, die zu einem Finanzierungsbedarf führen. Doch was bringt die neue Geschäftskundenorm im Business-Alltag? Wie wendet man sie an und wie profitiert die Zielgruppe? VP-Online hat dazu Dr. Klaus Möller, Vorstand der DEFINO Institut für Finanznorm AG, befragt. Er war maßgeblich an der Schaffung der neuen Norm beteiligt.
Wie funktioniert die Gewerbenorm DIN 77235?
Die Norm umfasst insgesamt 52 relevante Finanzthemen. Die Themen sind untergliedert in Basisthemen wie das allgemeine Haftungsrisiko oder die Betriebsunterbrechungsgefahr sowie sechs weitere typische Themenbereiche. Über sechs Einstiegsfragen wie z.B. „Beschäftigen Sie Mitarbeiter?“ oder „Werden Geschäfte mit ausländischen Geschäftspartnern oder in Fremdwährung abgeschlossen?“ wird die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung jedes einzelnen dieser Themenbereiche festgestellt. In den als relevant identifizierten Themenbereichen werden dann die Risiken und Notwendigkeiten, deren Relevanz und die zugehörigen Orientierungswerte analysiert.
Welche Risiken sind von besonderer Relevanz?
Das ist branchenabhängig. Bestimmte Risiken können in verschiedenen Unternehmen unterschiedliche Priorität haben: Für den Spediteur ist die Absicherung seiner Fahrzeuge gegen Beschädigung oder Verlust von existenzieller Bedeutung, für den Inhaber einer Werbeagentur die seines Dienst-PKW nicht in vergleichbarer Weise.
Die Abfrage erfolgt mittels Softwaretools. Wie lange dauert die Erstanalyse und welche Angaben/Betriebsdaten müssen, wann und wie häufig aktualisiert werden?
Der mit einer ersten Analyse verbundene Zeitaufwand hängt sehr stark von der Komplexität des jeweiligen Geschäftsmodells ab. Er kann zwischen einer halben und mehreren Stunden liegen. Die Analyse nach der neuen DIN ist eine Momentaufnahme. Alle Betriebsdaten sollten mindestens einmal pro Jahr, nämlich in Verbindung mit der neuen Bilanz, aktualisiert werden.
Wie profitieren Selbstständige und KMU von der neuen Finanz- und Risikoanalyse?
Unternehmer erhalten einen neutralen, reproduzierbaren und sich am tatsächlichen Bedarf orientierenden Fahrplan für notwendige Aktivitäten zur Absicherung und Fortentwicklung ihres Betriebes.
Welche Vorteile bietet die Auswertung insbesondere freien Vermittlern?
Die Anwendung der Norm gibt den Vermittlern bei der Analyse und Strukturierung der Risiken und Notwendigkeiten des jeweiligen Betriebes Orientierung und Sicherheit. Die Neutralität und Objektivität sowie die durch die Referenz auf eine DIN-Norm nachgewiesene Freiheit der Analyse von Steuerung durch andere als die Kundeninteressen stiftet zudem bei den Kunden großes Vertrauen. Das erleichtert die Arbeit der Vermittler.
Die DIN 77235 ist nicht verpflichtend. Was macht Sie zuversichtlich, dass sich die Anwendung der DIN bzw. ihrer Applikationen durchsetzen wird?
In Bezug auf die Verbreitung der neuen Norm sind wir sehr zuversichtlich. Für die Analyse und Strukturierung der Finanzen in der betrieblichen Sphäre haben die meisten Vertriebe und Finanzberatungsunternehmen kein durchgängiges Konzept. Die DIN 77235 schließt hier eine von der Branche selbst wahrgenommene Lücke.