GDV fordert mehr Grünflächen
Jeden Tag wird in Deutschland die Fläche von 90 Fußballfeldern zur Bebauung freigegeben. Bei Starkregen bedeutet das: Land unter. Wie Stadtplaner und Versicherer dafür sorgen wollen, dass die Fluten besser ablaufen.
Immergrüner Efeu, wilder Wein, bezaubernde Clematis: Begrünte Häuserfassaden und Dächer erheben sich vor einem wie ein riesiges Gemälde, schwärmt Patrick Blanc. Der französische Botaniker begrünt weltweit Museen, Einkaufszentren oder Bürogebäude. Die opulent bepflanzten Wände sind dabei nicht nur ein Hingucker, sie verbessern auch die Luftqualität, erzeugen Sauerstoff, filtern Staub, Schadstoffe und Lärm – und können sogar eine Antwort auf eine zentrale Herausforderung aller Großstädte geben: Starkregen.
Starkregen ist eine Naturgewalt
Als Folge der Erderwärmung entladen sich über Städten immer häufiger Unwetter. Dabei geht es um mehr als sommerliche Wolkenbrüche: Starkregen ist eine Naturgewalt. Binnen kürzester Zeit stürzt so viel Wasser vom Himmel, dass Keller und Tiefgaragen volllaufen, Bäche und Flüsse über die Ufer treten und sich manchmal sogar verheerende Sturzfluten durch die Straßen ergießen wie zuletzt in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die zunehmende Versiegelung des Untergrunds verschärft das Problem: Statt an Ort und Stelle zu versickern, schießt das Wasser in die Gullys und lässt sie überlaufen. „Damit ist auch die beste Kanalisation überfordert”, sagt Kay Joswig.
Ginge es nach dem Strategen der Berliner Wasserbetriebe, sollten Städte mehr grüne Wände und Dächer bekommen. Denn sie können Regen auffangen und zurückhalten, bis er später einfach verdunstet. Nebenbei verbessern sie auch noch das Klima. Schwammstadt nennt Joswig das. „Die Idealvorstellung ist die, dass der Regen dort bleibt, wo er auf die Erde trifft”, so Joswig. Das funktioniere natürlich nicht überall. Daher müsse man das Wasser aus besonders kritischen Bereichen wie vor U-Bahn-Eingängen oder Umspannwerken wegleiten – „und zwar in Bereiche, in denen es weniger Schaden anrichten kann”. Dafür kommen etwa Parks oder Spielplätze infrage. Manchmal könne es auch ratsam sein, das Wasser mithilfe erhöhter Bordsteine auf einer Straße zu halten. Immer noch besser, als wenn es in einen Keller fließt.
Schwamm statt Kanal
Die Schwammstadt wäre eine radikale Abkehr von der Strategie, die jahrzehntelang in der Wasserwirtschaft vorherrschte. „Früher hat man versucht, Starkregen so schnell wie möglich über die Kanalisation abzuleiten”, sagt der renommierte Experte Prof. Wolfgang Günthert. „Heute hat man erkannt, dass das angesichts der Regenmengen, die bei besonders heftigen Unwettern vom Himmel fallen, nur mit gigantischem Aufwand möglich wäre. Wenn überhaupt.”
Je mehr Regen dezentral dort versickert, wo er auf den Boden fällt, desto besser. Doch Deutschland pflastert sich derweil weiter zu. Negativbeispiel München: 47 Prozent der Stadtfläche der bayerischen Landeshauptstadt sind bebaut, asphaltiert, gepflastert oder zubetoniert – das ist die höchste Flächenversiegelung in Deutschland. „Klimafolgenanpassung kommt vielerorts zu kurz”, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Noch immer werde in Überschwemmungsgebieten gebaut, würden Flächen ungehindert versiegelt und stauten sich auf kommunaler Ebene Investitionen in Präventionsmaßnahmen. „Hier gilt es umzusteuern, sonst setzt sich eine Spirale aus weiteren Katastrophen und steigenden Schäden in Gang, die erst teuer und irgendwann unbezahlbar wird.”
GDV will Bewusstsein schärfen
Doch eine Dezentralisierung des Abwassersystems lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Oliver Hauner, Leiter Sachversicherungen beim GDV, empfiehlt, sich ausreichend abzusichern (Elementarschadenversicherung). In Deutschland sind erst 47 Prozent der Häuser gegen Überflutungen durch Starkregen oder Hochwasser versichert. Gleichzeitig ist es Hauner zufolge nicht ratsam, sich ausschließlich auf die Versicherung zu verlassen. Vorbeugende Maßnahmen am Haus müssten den Versicherungsschutz flankieren. „Eine Versicherung gleicht den Schaden finanziell aus und sichert die Existenz. Sie kann aber persönliche Gegenstände, die das Wasser zerstört hat, nicht wiederbringen.”
Das Problem sei, dass hierzulande viele noch nicht erkannt hätten, dass auch sie in einem Risikogebiet leben. Dafür müsse man das Bewusstsein der Menschen schärfen, fordern Katastrophenschutzexperten. Auch um weitere Unglücke zu verhindern.