Allianz: Die KI übernimmt
Nach der Übernahme eines digitalen Schadenabwicklers 2020 stellt die Allianz nach langem Vorlauf die Prozesse in der Kfz-Versicherung um. In den vergangenen drei Monaten wurden 30. 000 einfache Schadenfälle auf KI-Basis reguliert. Eine massive Ausweitung ist geplant.
Traditionell kostet der Regulierungsprozess im Schadenfall in der Kfz-Versicherung jede Menge Zeit und Geld. Die Allianz als Nummer Zwei der Branche hinter der HUK-COBURG verzeichnete im vergangenen Jahr rund 2,3 Millionen Schadensmitteilungen. Ob Blechschäden beim Ausparken oder durch das Auffahren von hinten – viele Unfallhergänge und Schadenmuster in der Kfz-Versicherung sind ähnlich. Bei sich wiederholenden Schäden kann künstliche Intelligenz (KI) schneller als der Mensch Muster erkennen und gemachte Angaben zum Unfallgeschehen auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen.
KI auf dem Vormarsch
Die Münchener haben deshalb begonnen, Geschäftsprozesse dieser Art allein mithilfe von selbstlernenden Algorithmen, die in Daten Muster erkennen, zu bewältigen. „Wir setzen künstliche Intelligenz zur Bearbeitung von Kaskoschäden seit Ende vergangenen Jahres ein“, sagt Christopher Iwanowski, Leiter der Schadenentwicklung bei der Allianz Versicherungs-AG. Ziel sei es, die Zahl regulierter Kaskoschäden bis Jahresende sogar zu verfünffachen. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). Diese Entwicklung dürfte Branchenkenner indes nicht überraschen. Schon im März 2020 hatte sich die Investmenttochter des Konzerns Allianz X die Mehrheit am Schadenabwickler ControlExpert gesichert. Das Unternehmen aus Langenfeld bietet Partner eine Plattform um das Kfz-Schadenmanagement zu automatisieren und zu digitalisieren.
Sofortzahlung bei automatisierter Regulierung
Seit Einführung im Oktober 2021 hat die Allianz etwa 30. 000 Schadenfälle auf KI-Basis kalkuliert. Iwanowski zieht in der FAZ ein positives Fazit: „Vollkaskoschäden mit geringer Komplexität könnten vollständig reguliert werden, und zwar binnen 24 Stunden. Der Kunde fotografiert den Schaden, schickt uns die Bilder über sein Smartphone, und die KI kalkuliert die Reparaturkosten. Auf Wunsch des Kunden wird der Betrag sofort überwiesen, ohne dass ein Sachbearbeiter eingeschaltet ist. Das ist ein absolutes Novum.“ Bei fast 1000 der so kalkulierten Schadenfälle waren laut Iwanowski die Kriterien für das Angebot der Sofortauszahlung erfüllt. Eine autonome Software entscheide, ob direkt reguliert wird oder der Fall an einen menschlichen Sachbearbeiter weitergeleitet wird. Das geschehe bei komplexeren Fällen. Perspektivisch kann sich Iwanowski angesichts dieser aus seiner Sicht guten Ergebnisse eine Ausweitung des Pilotprojekts und zusätzliche Anwendungsbereiche für KI-Systeme bei der Allianz vorstellen.
Was wird aus den Schadenbearbeitern der Allianz?
Fraglich scheint, ob ein derartiger Paradigmenwechsel in der personalintensiven Schadenbearbeitung eines großen Versicherers zu Personalabbau führen wird. Dazu äußert sich die Allianz bisher nicht. Laut des FAZ-Berichts sollen die frei werdenden zeitlichen Ressourcen der Schadenbearbeiter in die Bearbeitung komplexer Schadenfälle fließen. Hier seien der menschliche Spürsinn und die Intuition dem Computer noch überlegen. Das macht auch deshalb Sinn, weil die Zahl der Betrugsversuche in der Kfz-Versicherung 2021 bei der Allianz um zehn Prozent stieg, wie das Unternehmen selbst vermeldete. Mit mehr als 50 Prozent aller Fälle stellt diese Sparte ohnehin die überwiegende Mehrheit unter den aufgedeckten Betrugsversuchen dar.