Welche Versicherungen in Sachen Digitalkompetenz vorne liegen
Die Qualität digitaler Angebote von deutschen Großversicherern ist offenbar weitaus besser als ihr Ruf. Eine internationale Untersuchung des Beratungsunternehmens Finnoconsult brachte Anbietern wie der Allianz und HUK-Coburg die Spitzenplätze. Ihre eigenen Direktversicherer schwächeln allerdings.
Das österreichische Beratungsunternehmen Finnoconsult, bisher auf Banken spezialisiert, hat erstmals die Digitalkompetenz von Versicherungen aus Kundensicht untersucht. 70 Dienstleister aus Europa und Nordamerika, davon 25 aus Deutschland wurden mit der sogenannten „Finnoscore-Methodik“ analysiert. Das selbstgesteckte Ziel der Studie ist ein kundenzentrierter, ganzheitlicher Gesamtvergleich der Versicherer, um mehr Markttransparenz über den digitalen Reifegrad der Unternehmen herzustellen.
Allianz ist Branchenprimus
Deutlicher Gewinner im erstmals veröffentlichten Ranking ist die Allianz Deutschland mit einem Gesamtscore von 7,71 auf einer Skala von eins bis zehn. Platz 2 belegt die HUK-Coburg (6,93). Cosmos Direkt (6,50), Ergo (6,47), Axa (6,44) und die Versicherungskammer Bayern (6,14) erreichen ebenfalls alle die Top 10. Damit ist Deutschland auch Spitzenreiter im Länderranking. „Die Performance heimischer Versicherungen kann sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen – einige Versicherer in Deutschland, aber auch in Österreich sind sehr gut aufgestellt und müssen sich beileibe nicht verstecken“, sagt Christian Berger, Mitgründer und Geschäftsführer der Finnoconsult GmbH.
Websites, Omnichannel-Kommunikation und Social Media überzeugen
Besonders positiv heben sich die Allianz, HUK und Cosmos Direkt in der Dimension Website-Usability gegenüber den Mitbewerbern ab, so Finnoconsult. Alle drei Vertreter weisen eine strukturierte Navigation und klare Informationsarchitektur auf, wichtige Informationen sind dadurch intuitiv und schnell zu finden. Die erstplatzierte Allianz punktet zudem mit umfassenden, einfach auffindbaren Kontaktmöglichkeiten wie zum Beispiel der Online-Beratung und Online-Terminvereinbarung, was ihr ein sehr gutes Ergebnis in der Dimension Omnichannel-Kommunikation beschert. Dazu bietet ihr breit angelegtes Kundenbindungsprogramm Einkaufsvorteile, Gewinnspiele sowie ein Punktesammelsystem.
HUK-Coburg und Cosmos Direkt überzeugen wiederum besonders im Bereich Social Media & Communityaufbau. Laut der Studienautoren wird dort schnell und inhaltlich präzise auf Kundenfeedback reagiert, auch außerhalb der eigenen Kanäle. „Die Allianz liefert im Hinblick auf ihre digitalen Angebote ein sehr rundes Gesamtpaket und weist folgerichtig aktuell den höchsten Gesamtscore auf. Sie weiß mit ihrer Website zu überzeugen, ist auf vielfältigen Kanälen für ihre Kunden gut erreichbar und belohnt die Kunden für ihre Treue“, so Berger.
Direktversicherer der Allianz und HUK-Coburg mit Schwächen
Dass große Versicherungshäuser mitunter besser performen als ihre eigenen, onlineorientierten Direktanbieter, zeigen die Allianz und die HUK-Coburg: Die beiden Mutterunternehmen schneiden in sämtlichen untersuchten Dimensionen besser ab als ihre Direktversicherer-Töchter, die Allianz Direct bzw. die HUK 24. In der Omnichannel-Kommunikation haben die Direktversicherer erwartungsgemäß das Nachsehen, weil sie über eingeschränkte Kontaktmöglichkeiten verfügen. Als weiteres Defizit wertet Finnoconsult, dass die Allianz Direct keine Mobile App zur Verfügung stellt, nicht einmal für Schadensmeldungen. Das sei überraschend für einen Direktanbieter. Abstriche müssen Kunden zudem im Bereich Loyalty machen – HUK 24 und Allianz Direct haben lediglich ein sehr limitiertes Kundenbindungsprogramm und bieten nur eine Prämie für Weiterempfehlungen an.
„Auch bei gestandenen Playern ist nicht alles Gold, was glänzt. Ihre hauseigenen Direktversicherungen hinken teils deutlich hinterher, allerdings machen sich vereinzelt auch Ressourcennachteile bemerkbar, die wiederum für eine geringere Performance sorgen. Hier müssen die Anbieter nachziehen, um im Direkt- bzw. Onlinegeschäft kundenrelevanter zu werden“, meint Berger.
Insurtechs trotz einzelner Stärken noch hinten dran
Mit Lemonade, dass seine europäische Niederlassung in Amsterdam hat, schaffte auch ein Insurtech den Sprung in die Rangliste. Die sogenannten Neoversicherer schneiden insgesamt vor allem im Bereich Onlineverkauf mit einem Score von 6,98 gut ab. Etablierte Gesellschaften kommen hier lediglich auf 4,61, da sie nach wie vor primär auf ihre persönlichen Vertriebskanäle setzen. Auch was die sichtbare Kommunikation von Innovation und sozialer Verantwortung anbelangt, liegen Neoversicherungen (5,88) vorne – etablierte Versicherungen (4,02) und direkte Anbieter (3,75) haben hier ebenso das Nachsehen wie im Bereich Mobile Apps.
„Neoversicherungen punkten in einigen, für ihr Geschäftsmodell erfolgskritischen Domänen, in der Gesamtheit zeigt sich jedoch erstaunlicherweise, dass einige der etablierten Branchenvertreter die Zeichen der Zeit erkannt und rechtzeitig auf veränderte Kundenbedürfnisse im digitalen Versicherungsangebot reagiert haben“, so das Fazit von Finnoconsult-Chef Berger.
Finnoscore Versicherungen 2022
Die Digitalangebote der Versicherungen wurden im neu aufgelegten „Finnoscore“ auf ihre Qualität untersucht. Im Gegensatz zu klassischen Benchmarkings setzt die Methodik hierbei nicht auf die Durchführung von Interviews mit Experten oder Managern, sondern beurteilt das digitale Kundenerlebnis ausschließlich mittels Desktop-Research anhand eines standardisierten Verfahrens in zehn Dimensionen und 300 Datenpunkten. Dabei werden die Websites und Apps ausschließlich aus der Sicht von potenziellen Neukunden analysiert. Die Untersuchung schafft laut der Autoren damit in der Datentiefe eine konsistente Vergleichbarkeit zwischen den bewerteten Versicherungen.