Wettbewerbsvorteil Daten: Was Versicherer daraus machen
Trotz der wachsenden Bedeutung datengetriebener Prozess: Laut einer Untersuchung von Capgemini Deutschland bezeichnen nur rund vier von zehn Versicherern ihre Preisgestaltung und ihr Underwriting als datengetrieben. Wettbewerbsvorteile aus wachsenden Datenvolumina ziehen zudem fast nur größere Unternehmen.
Auch wenn Versicherer sich verstärkt auf Daten stützen, um Risiken angemessen zu erfassen, zu bewerten und zu managen, hat die Branche hier weiterhin großen Nachholbedarf. So lassen sich die Ergebnisse einer Studie des Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Capgemini Deutschland zusammenfassen.
39 Prozent arbeiten im Underwriting datenbasiert
Demnach erschließen erst etwas über 40 Prozent der Versicherer mithilfe von Daten neue Märkte für sich, verlagern ihren Schwerpunkt von Absicherung auf Prävention und überdenken ihre versicherungsmathematischen Annahmen. Darüber hinaus nutzen 43 Prozent von ihnen Echtzeitdaten, um versicherungsstatistische Modelle zu aktualisieren, während etwa ein Drittel Daten zur Modellierung neuer Risiken nutzt. Ebenfalls rund 43 Prozent der Versicherer haben ihre Risikoalgorithmen in den letzten zwei Jahren aktualisiert und weiterentwickelt. Infolgedessen können rund 39 Prozent der Versicherer ihre Risikoselektion und Tarifierung als fakten- und datenbasiert bezeichnen, so die Studienautoren.
Nur größere Versicherer beherrschen datengetriebene Prozesse
Problem: Nur 18 Prozent der 204 befragten Versicherer verfügen laut Capgemini sowohl über die technologische Kompetenz als auch über die Unternehmenskultur und die Verhaltensmuster, um datengetriebene Programme erfolgreich einzusetzen und Wettbewerbsvorteile aus den wachsenden Datenvolumina zu ziehen. Diese sogenannten „Data Masters“ sind deutlich größer als ihre Wettbewerber. Die meisten von ihnen erwirtschaften einen Umsatz von über 20 Milliarden US-Dollar.
Darüber hinaus haben 61 Prozent dieser großen Versicherer Dateninitiativen in mehreren Sparten umgesetzt oder sogar bereits signifikante Transformationserfolge mit Blick auf Wettbewerbsvorteile, Marktanteil und andere Kennzahlen erzielt. Unter den kleineren Versicherern trifft dies auf nur 16 Prozent zu. Ein wesentlicher Grund für diese Kluft könnte laut Studie darin liegen, dass kleinere Unternehmen unzureichend in die technologische Modernisierung investieren sowie häufiger als große Versicherer mit Herausforderungen durch Altsysteme und monolithische Architekturen zu kämpfen haben.
„Data Masters“ sind signifikant erfolgreicher
Von ihren Wettbewerbern in der Versicherungsbranche heben sich die „Data Masters“ in einigen Schlüsselbereichen ab: Fast alle (97 Prozent) haben Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs) geschaffen, um externen Organisationen Zugang zu firmeneigenen Daten zu ermöglichen – gegenüber nur 36 Prozent ihrer Mitbewerber. Fast 90 Prozent dieser Gruppe können zudem externe Quellen leicht mit ihren Plattformen verknüpfen, um einen Austausch zum beiderseitigen Vorteil zu etablieren. Dadurch können 39 Prozent dieser Unternehmen Schäden schneller und genauer regulieren. In der Folge verzeichnen mehr als 90 Prozent von ihnen gestiegene Prämieneinnahmen, eine verbesserte Schaden-Kosten-Quote und stärkere Net-Promoter-Scores (Weiterempfehlungsquoten). Unter den übrigen Versicherungsunternehmen trifft dies nur auf die Hälfte zu.
„Klassische Versicherer müssen zunehmend mit Konkurrenz von Insurtechs, BigTechs und Herstellern rechnen“, sagt Dr. Joachim Rawolle, Head of Business Technology Solutions für Banken und Versicherungen bei Capgemini. „Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen sie einen datenbasierten Ansatz, der ihnen hilft, Marktanteile zu halten, Schlüsselkennzahlen zu verbessern und präzise Risikoanalysen zu erstellen. Vorreiter dabei sind die großen Versicherer, während viele kleinere Häuser in ihrer IT-Landschaft erst noch die nötigen Voraussetzungen dafür schaffen müssten.“
Versicherer sollten ihre Daten an der Geschäftsstrategie ausrichten
Laut Studie stellen nur 41 Prozent der Versicherungsunternehmen sicher, dass ihre Datenverantwortlichen die organisatorische Daten- und Analytics-Strategie auf die allgemeine Geschäftsstrategie abstimmen. Um datengetrieben handeln zu können, müssten Versicherungsunternehmen vier Schlüsselbereiche einbeziehen und dort investieren. Dazu zählen die Experten von Capgemini den Aufbau einer Infrastruktur, mit der sich aus Daten gewonnene Erkenntnisse schnell anwenden lassen, und das Etablieren eines geeigneten Betriebsmodells, um datengetriebene Versicherungsanwendungen zu skalieren. Erforderlich sei zudem, eine datenorientierte Kultur im gesamten Unternehmen zu fördern und ein Open-Data-Ökosystem zu etablieren.
Methodik der Studie
Im Rahmen der Capgemini-Studie „The data-powered insurer: Unlocking the data premium at speed and scale“ wurden 510 Führungskräfte aus 204 Versicherungsunternehmen befragt – aus jedem Unternehmen ein Datenspezialist und eine Führungskraft für jede Geschäftssparte. Darüber hinaus wurden zehn Interviews mit leitenden Versicherungsmanagern geführt, um ihre Ansichten und ihr Expertenwissen über diese Versicherungsunternehmen zu erfahren.