Kolumne 20.04.2022 Recht | Ratgeber

Ist die Corona-Pandemie eine Naturkatastrophe?

Corona-Regeln in einem Urlaubsland können zum Abbruch einer Reise führen und Mehrkosten verursachen. Ob und wann Versicherte hier auf eine Deckung der Reiseabbruchversicherung hoffen können, hat das AG München entschieden. Das Urteil stellt VP-Experte Norman Wirth vor.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Fall.

Der Versicherungsnehmer (VN) schloss eine Reiserücktrittsversicherung ab, die auch einen Reiseabbruch umfasste. In den Vertragsbedingungen hieß es u. a.: „Wenn Sie wegen einer Naturkatastrophe am Urlaubsort (zum Beispiel Lawinen, Erdbeben) die Reise nicht planmäßig beenden können: Wir übernehmen die notwendigen Mehrkosten für Unterkunft, Verpflegung und Rückreise.“ Der VN buchte für sich und einen Mitreisenden eine Reise nach Sri Lanka, die beide wie geplant antraten. Fünf Tage vor Ende der Reise annullierte die Fluggesellschaft mit Verweis auf die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Reisebeschränkungen den Rückflug. Daraufhin buchte der VN die letzte verbliebene Rückreisemöglichkeit vor Schließung des Flughafens Colombo. Einzig verfügbar waren da nur noch Sitzplätze der höchsten Tarifklasse, was zu Umbuchungskosten von 3610 Euro führte.

Der Streit.

Die Fluggesellschaft selbst verweigerte eine Entschädigung. Die Mehrkosten verlangte der VN nun von der Versicherung. Er meinte, dass es sich bei der Corona-Pandemie um eine Naturkatastrophe handele und sich daraus eine Leistungspflicht der Versicherung ergebe. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen, u. a. mit der Begründung, dass eine Pandemie als versichertes Ereignis in den abschließend aufgezählten versicherten Risiken gerade nicht genannt sei. Es kam zum Rechtsstreit.

Das Urteil.

Das Amtsgericht München (Az. 275 C 23753/20) entschied zugunsten des Versicherers. Das Gericht stellte dafür auf das Verständnis eines durchschnittlichen VN ab. Kennzeichnend für eine Naturkatastrophe sei, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte. Bei Corona sei das anders: Bei den jeweiligen staatlichen Schutzmaßnahmen handele es sich um politische Ermessensakte. Da diese staatlichen Maßnahmen von Land zu Land und Fall zu Fall höchst unterschiedlich in ihrer Intensität und damit ihren Auswirkungen ausfallen können, liege begrifflich keine Naturkatastrophe vor.

Die Bewertung.

Dieses Ergebnis wird auch durch Erwägungen zur Rechtssicherheit gestützt. Naturgemäß schwankende Infektionszahlen und sich dem anpassende Schutzmaßnahmen werfen die Abgrenzungsfrage auf, ab welchem Grad die Schwelle zur Naturkatastrophe überschritten würde. Infektionszahlen und Schutzmaßnahmen entwickeln sich an verschiedenen Orten unterschiedlich, sodass dasselbe Ereignis teilweise als Naturkatastrophe einzustufen wäre und teilweise nicht. An dem Münchner Urteil ist insofern nichts auszusetzen. Man kann in diesem Zusammenhang Urlaubern nur ans Herz legen, bei der Vorbereitung ihrer Reise nach inzwischen vorhandenen Deckungskonzepten von Anbietern Ausschau zu halten, die auch einen Schutz vor Pandemien enthalten.


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