28.06.2022 Recht | Ratgeber

Bund der Versicherten legt Verfassungsbeschwerde ein

Trotz des endgültig verlorenen Prozesses gegen die Victoria Leben macht der BdV weiter. Das Lebensversicherungs­reformgesetz sei nicht verfassungs­konform, weil es Versicherte nicht angemessen an den Überschüssen und Bewertungsreserven beteiligt. Nun erhebt der Verbraucherschutzverein Beschwerde in Karlsruhe.

Auf die Richter am höchsten deutschen Gericht kommt Arbeit zu. (Foto: © Bundesverfassungsgericht / bild_raum stephan baumann, Karlsruhe)
Auf die Richter am höchsten deutschen Gericht kommt Arbeit zu.
(Foto: © Bundesverfassungsgericht / bild_raum stephan baumann, Karlsruhe)

Das nennt man dann wohl hartnäckig: Trotz einiger juristischer Niederlagen kämpft der Bund der Versicherten (BdV) weiter gegen aus seiner Sicht unwirksame Überschusskürzungen bei kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen durch die Victoria Lebensversicherung AG, die zur Ergo-Gruppe gehört. Nachdem das Landgericht Düsseldorf mit seinem Urteil im März dieses Jahres auch die zweite Berufung des BdV zurückgewiesen und keine Revision zugelassen hatte – und im Mai auch die dagegen gerichtete Anhörungsrüge abgewiesen hat –, zieht der BdV nun mit einer Verfassungsbeschwerde vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Kürzung von Überschüssen ist rechtskräftig zulässig

 

Die Vorgeschichte des Falls reicht bis ins Jahr 2016 zurück. Kern des Rechtsstreits ist die Frage, wann und warum ein Lebensversicherer bei kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen Überschüsse kürzen darf – und wann nicht. Der Versicherer führte hier einen Sicherungsbedarf wegen einer schwachen Finanzlage an, was nach dem Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) auch möglich und zulässig ist. Nach Meinung des BdV jedoch muss die Victoria eine finanzielle Schieflage hinreichend und nachprüfbar belegen, wofür sie primär darlegungs- und beweispflichtig ist. „Nach diesem Urteil können die Versicherer Leistungen an Versicherte streichen, ohne wirklich Rechenschaft ablegen zu müssen. Das ist so nicht hinnehmbar“, sagt Stephen Rehmke, Vorstand des BdV. Allerdings war diese Haltung juristisch bisher offensichtlich nicht durchsetzbar.

BdV siehte Rechte verletzt

 

Dennoch kommt es nun zur Verfassungsbeschwerde. Mit dieser geht der Interessenverein nach eigener Aussage zum einen gegen die abgewiesene Revision und Anhörungsrüge vor. Dabei hatte er nämlich ein Gutachten von Sachverständigen präsentieren wollen, was ihm aber verwehrt blieb. Der BdV sieht hierin eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz wegen der Nichtzulassung der Revision, eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör wegen unzureichender Beweiserhebung und der Zurückweisung der Anhörungsrüge sowie die Verletzung seines Eigentumsrechts wegen der unterlassenen Überprüfung der Vorschriften zur Überschussbeteiligung einschließlich der Bewertungsreserven.

Verfassungsbeschwerde nimmt LVRG selbst ins Visier

 

Da das Verfahren mit der Victoria rechtskräftig beendet ist, geht es nun um mehr. Der BdV will am LVRG selbst rütteln. Die selbsternannten Verbraucherschützer sind hier nämlich weiterhin anderer Auffassung als der Bundesgerichtshof: „Das LVRG ist nicht verfassungsgemäß, weil es entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Versicherte nicht angemessen an den Überschüssen und Bewertungsreserven beteiligt. Es ist höchste Zeit, diesen Anspruch verfassungsrechtlich noch einmal hervorzuheben und das LVRG entsprechend auszubessern“, fordert Rehmke. Die vom LVRG gedeckte Kürzung der Bewertungsreserven sei ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht aller Versicherungsnehmer, der nicht zu tolerieren sei.

Victoria nicht mehr Partei des Verfahrens

 

Für die Victoria Leben hat die Beschwerde keine direkten Auswirkungen mehr. Es handele sich um ein Verfahren, mit welchem eine abstrakte Rechtslage verfassungsrechtlich zur Überprüfung gestellt wird. Ein Ergo-Unternehmenssprecher sagt dazu: „Die Victoria Leben ist nicht Partei dieses Verfahrens. Es war schon immer unsere Überzeugung, dass der BdV mit seiner Klage das Ziel verfolgte, bestimmte, mit dem LVRG von 2014 eingeführte Vorschriften für verfassungswidrig erklären zu lassen. Insofern überrascht uns dieser jüngste Schritt des BdV nicht.“ Aus Sicht des Unternehmens sind die Vorschriften des LVRG sachgerecht. „Mit seiner Entscheidung hat das Landgericht Düsseldorf abschließend bestätigt, dass die Victoria Leben die Berücksichtigung eines Sicherungsbedarfs im konkreten Einzelfall nach Grund und Höhe ausreichend dargelegt hat“, so der Sprecher.


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