Schwierige Haftungsfrage bei Fahrrad-Kollision
Ob sie den Sicherheitsabstand einhalten müssen, ist bei überholenden Radfahrern eine Frage des Einzelfalls. So sieht es das Oberlandesgericht Oldenburg. Es legte die Haftung nach einem Crash zweier Radler im Stadtgebiet differenziert aus.
Oldenburg gilt als ausgesprochene Fahrradstadt. Das beschwört immer wieder auch Gefahrensituationen unter Radfahrern herauf. Der 2. Senat des dortigen Oberlandesgerichts hat jetzt in einem solchen Fall ein Urteil gefällt.
Radfahrer kollidieren im engen Stadtgebiet
Das war passiert: Der Kläger war mit seinem Rad auf einer Straße in Oldenburg stadtauswärts unterwegs. Der Beklagte kam mit seinem Fahrrad aus der Einfahrt eines Häuserblocks, er fuhr langsam und unsicher. Der Kläger fuhr eine kurze Strecke hinter dem Beklagten her und setze dann zum Überholen an. Weil der Beklagte in diesem Moment mit seinem Fahrrad erheblich nach links ausschwenkte, kam es zu einer Kollision. Der Kläger fiel zu Boden, seine Schulter war verrenkt, eine Sehne abgerissen. Er musste zwei Tage im Krankenhaus behandelt werden und war eine Woche krankgeschrieben. Es folgte eine längere Physiotherapie.
OLG macht bei der Schuld halbe-halbe
Das Landgericht hatte die Klage des vermeintlichen Unfallopfers auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zunächst zurückgewiesen. Der Kläger, so das Landgericht, hätte nicht überholen dürfen, weil er den erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,5 bis zwei Metern zu dem Beklagten nicht habe einhalten können. Der Senat des OLG sah dies nun anders: Ein Überholen setze nicht generell einen Sicherheitsabstand von 1,5 bis zwei Metern voraus – dies würde bedeuten, dass Fahrradfahrer sich fast im gesamten Stadtgebiet nicht überholen dürften. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an. Hier weise der Radweg eine zum Überholen ausreichende Breite auf, zumal er nur optisch vom breiten Fußweg abgegrenzt ist. Der Beklagte habe durch seinen Linksschwenk gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 1 StVO) verstoßen, nach dem sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten müsse, dass kein anderer gefährdet oder behindert werde. Den Kläger treffe aber ein Mitverschulden von 50 Prozent, weil er hätte erkennen können, dass der Beklagte unsicher fuhr.
Der Beklagte muss dem Kläger jetzt ein Schmerzensgeld von 3500 Euro zahlen sowie die Hälfte seines Sachschadens (Fahrten zur Physiotherapie, beschädigte Kleidung) ersetzen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.