06.05.2022 Sparten/Produkte

Aktuare wollen mehr Rendite­orientierung in der bAV

Die deutschen Aktuare fordern von der Politik nicht weniger als einen „Kulturwandel“ in der betrieblichen Altersversorgung. Pensionskassen bräuchten größere Freiheiten in der Kapitalanlage hieß es auf der DAV-Jahrestagung. Das bisherige Modell führe in die Zins- und Inflationsfalle.

Im Zuge der sinkenden gesetzlichen Rentenleistungen hat die bAV für die Alterssicherung von Arbeitnehmern erheblich an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig ist sie ein wichtiges Instrument im Vergütungssystem von Unternehmen. (Foto: © magele-picture - stock.adobe.com)
Im Zuge der sinkenden gesetzlichen Rentenleistungen hat die bAV für die Alterssicherung von Arbeitnehmern erheblich an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig ist sie ein wichtiges Instrument im Vergütungssystem von Unternehmen.
(Foto: © magele-picture - stock.adobe.com)

Anfang Mai rauchten die Köpfe der deutschen Aktuare bei ihrer Jahrestagung in Bonn. Die Themen der Versicherungs- und Finanzmathematiker sind naturgemäß komplex. Wie kontrovers die Sachverständigen diskutierten, ist nicht bekannt. Zu Beginn und Ende der dreitägigen Veranstaltung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) standen zumindest klar artikulierte Forderungen in mehreren öffentlichkeitswirksamen Statements.

Aktuare fordern Kulturwandel

 

Dazu zählte auch das Thema betriebliche Altersvorsorge (bAV): Hier brauche es einen Kulturwandel hin zu vermehrt renditeorientierten Anlagen, so die Kernthese des Interessenvereins. Dr. Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS), einem DAV-Zweigverein, formuliere es auf der Tagung so: „Zusagen für die bAV, die als Versorgungs­leistung feststehende Nominalbeträge vorsehen, befinden sich aktuell im Zangengriff: Die Niedrigzinsen treiben die Kosten für die Finanzierung nach oben, während die Inflation die Leistung aufzehrt. Ein Entkommen aus der Zins- und Inflationsfalle ist aber möglich, wenn die Kraft der Kapitalmärkte in geeigneter Weise zur Entfaltung gebracht wird.“

Renditeorientierte Sachwerte statt festverzinsliche Wertpapiere

 

Das Problem bei garantierten Versorgungsleistungen in der bAV sei bisher, dass weder die zugesagte Leistung nachträglich gekürzt noch der dafür vereinbarte Beitrag in Laufe der Zeit erhöht werden könnte. Deshalb müsse der Beitrag mit erheblichen Sicher­heiten kalkuliert werden und stets schwankungs- und damit renditearm in meist festverzinsliche Anlagen investiert werden. „Die altbekannte versicherungs­förmige Nominalgarantie kann bei insgesamt negativer Realverzinsung die Wertstabilität der eingezahlten Beiträge nicht mehr gewährleisten“, so Dr. Lucius. Wenn die bAV weiterhin einen nennenswerten Anteil zur Lebensstandard­sicherung im Alter beitragen solle, müssen nach Überzeugung des IVS die Kräfte des Kapitalmarktes besser genutzt werden. „Dafür müssen die Beiträge rendite­orientiert vor allem in Sachwerte angelegt und die Leistungen entsprechend der Wertentwicklung dynamisiert werden.“ Das gelinge derzeit am besten in der Gestaltungsform der beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ).

Forderung nach Leistungszusage mit Untergrenze

 

Hintergrund: Anders als bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) sieht die BoLZ keinen Erhalt der eingezahlten Beiträge vor. Es wird lediglich gefordert, dass die zugesagten Beiträge in eine festgelegte garantierte (Mindest-)Leistung umgewandelt werden – was durchaus weniger als der Beitragserhalt sein kann, zum Beispiel nur 70 oder 80 Prozent. „Je niedriger die garantierte (Mindest-)Leistung ausfällt, desto mehr Mittel können mit einer entsprechend höheren Renditeerwartung angelegt werden und desto höher sind potenziell die über die Garantieleistung hinausgehenden Leistungen – bei gleichzeitig steigenden Schwankungsrisiken“, sagte Dr. Lucius zu den Vorteilen dieses Modells. Bislang fehle es allerdings an objektiven Kriterien, wie eine Untergrenze für die garantierte (Mindest-)Leistung aktuariell begründet werden könnte. Das sei aber aus Gründen der Rechtssicherheit nötig. Sinnvoll wäre aus Sicht des IVS-Vorsitzenden, „wenn der Gesetzgeber den Betriebspartnern die Möglichkeit eröffnet, sich eigenständig auf eine Untergrenze verständigen zu dürfen“.

Regulatorisches Korsett lockern

 

Für bestehende Zusagen wünschen sich die Aktuare mehr Gestal­tungsspielraum in der Kapitalanlage. Durch die derzeitigen Rechtsvor­schriften seien speziell den Pensionskassen die Hände gebunden. „Unterdeckungen aufgrund von Kapitalmarkt­schwankungen werden selbst bei einem Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten nicht akzeptiert. Zudem stört den Experten die Haltung der Finanzaufsicht BaFin, wonach die vorhandenen Eigenmittel bis zur Mindesthöhe der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen nicht als Risikopuffer für Kapitalmarktschwankungen verwendet werden dürfen – sondern lediglich für „unvorhersehbare, dauerhaft ungünstige Entwicklungen“ herhalten dürften. Eine großzügigere Auslegung sei hier aus aktuarieller Sicht möglich. „Wir setzen uns für eine Lockerung des regulatorischen Korsetts ein, damit Pensionskassen mehr Risiken in der Kapitalanlage eingehen und die Kraft der Kapitalmärkte besser für die Finanzierung der zugesagten Leistungen nutzen können“, sagte Dr. Friedemann Lucius.


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