Lebensversicherung: Es profitieren vor allem die Anbieter
Das Kölner Ratinghaus Assekurata hat zum 21. Mal eine Studie zur Überschussbeteiligung der Lebensversicherer herausgebracht. Trotz leichter Verbesserung für die Kunden dürfte der Trend zu abgesenkten Garantien bestehen bleiben.
Steigende Zinsen, hohe Inflation: Die Marktbedingungen für Lebensversicherungen haben sich enorm verändert. Das sind besonders für die Anbieter gute Nachrichten - für sie verbessern sich die Ertragsaussichten dadurch deutlich. Die Kunden profitieren davon hingegen zunächst wenig: „In den Überschussbeteiligungen spiegelt sich der Zinsanstieg an den Märkten nur langsam wider“, sagte Reiner Will, Assekurata-Geschäftsführer. Auch der Trend zu abgesenkten Garantien werde sich so schnell nicht umkehren, so Will.
Die Rating-Agentur hat die Branche der Lebensversicherungen bereits zum 21. Mal auf Überschüsse und Garantien untersucht. Assekurata hat dabei herausgefunden, dass immerhin 13 Studienteilnehmer die laufende Verzinsung in der privaten Rentenversicherung gegenüber 2022 angehoben haben und kein Unternehmen eine Absenkung vorgenommen hat. Im Durchschnitt beträgt sie für einen Referenztarif mit Garantiezins 1,25 Prozent nunmehr 2,14 Prozent, nach 2,01 Prozent im Vorjahr. Die 13 Anbieter, die auch im Neugeschäft weiterhin klassische Rentenversicherungen anbieten, gewähren eine etwas höhere laufende Verzinsung von durchschnittlich 2,26 Prozent. Bezieht man alle klassischen Produktarten und Tarifgenerationen aus der Studie mit ein, so ist die laufende Verzinsung 2023 auf 2,62 Prozent (Vorjahr: 2,55 Prozent) gestiegen. „Marktweit steigt damit die Überschussbeteiligung gegenüber dem Vorjahr an. Dies hat historischen Charakter, erfolgte dies doch letztmals vor 15 Jahren", so Will.
Eigenschaften des Marktes
Dass sich der abrupte Zinsanstieg am Kapitalmarkt nicht eins zu eins bei den Überschussbeteiligungen niederschlage, sei den Eigenschaften des Geschäftsmodells geschuldet, erklärt Will. „Einerseits dauert es viele Jahre, bis der höhere Marktzins in der Kapitalanlage von Lebensversicherern ankommt, andererseits sind durch die Zinswende stille Lasten in den Bilanzen entstanden.“ Aus Sicht des Assekurata-Geschäftsführers sei es daher nicht verwunderlich, dass viele Lebensversicherer in ihrer Überschusspolitik noch zurückhaltend sind, wenngleich sich die langfristige Ertragsperspektive mit dem Zinsaufschwung verbessert habe.
Die stillen Lasten, also der Wertverlust der festverzinslichen Wertpapiere in den Büchern der Versicherer, schlagen sich auch in der Beteiligung an den Bewertungsreserven nieder, die die Kunden zusätzlich zur Überschussbeteiligung gewährt bekommen. „Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren kommt bei den meisten Anbietern zum Vertragsende allerdings keine weitere Beteiligung an den Bewertungsreserven mehr hinzu“, bemerkte Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. „Hier wirken sich die stillen Lasten der Zinsanlagen in den Büchern der Lebensversicherer unmittelbar aus, wodurch häufig keine zu verteilenden Bewertungsreserven mehr vorhanden sind.“
Neue Klassik bei der Verzinsung leicht im Vorteil
Darüber hinaus hat die Kölner Rating-Agentur wieder das Segment der sogenannten Neuen Klassik untersucht. Neue klassische Tarife basieren wie klassische Versicherungen auf einer konventionellen Überschusssystematik sowie dem Ausgleich im Kollektiv und der Zeit. Ein zentraler Unterschied liegt jedoch in der Ausgestaltung der Garantien, die niedriger als in der Klassik ausfallen und in der Regel endfällig gestaltet sind. So sehen die meisten Versicherer in den untersuchten Tarifen davon ab, den Erhalt der eingezahlten Beiträge vollständig zu garantieren (100 % Bruttobeitragsgarantie). Stattdessen beinhalten die Tarife eine reduzierte Bruttobeitragsgarantie von zumeist um die 90 %.
Aktuell liegt die laufende Verzinsung der betrachteten Neugeschäftstarife bei durchschnittlich 2,19 Prozent (Vorjahr 2,05 Prozent) und somit nur leicht oberhalb der Klassik. Im unternehmensindividuellen Vergleich zwischen den Anbietern, die Deklarationssätze für beide Produktsegmente angaben, ist der Überschussvorteil der Neuen Klassik mit 2,31 Prozent (Klassik: 2,21 Prozent) etwas größer. Auch bei der Beitragsrendite ist die Neue Klassik im Vorteil, wobei die Tarife hinsichtlich der Überschussverwendung nicht einheitlich konzipiert und daher nicht vollständig vergleichbar sind. „Auch bei neuen klassischen Rentenversicherungen können die Überschüsse nicht so schnell wie der Marktzins steigen, da die Sparprozesse hier ebenfalls langfristig ausgerichtet sind“, so Heermann.
Größerer Anstieg bei Einmalbeiträgen
Deutlich unmittelbarer reagieren die Lebensversicherer hingegen im kürzer laufenden Einmalbeitragsgeschäft. Hier hat Assekurata im Rahmen der Untersuchung festgestellt, dass die Überschussbeteiligungen insbesondere in den ersten Vertragsjahren gegenüber dem Vorjahr spürbar angezogen haben. „Der Zinsanstieg wirkt sich bei Einmalbeitragspolicen somit stärker aus als bei Versicherungen gegen laufenden Beitrag“, sagte Heermann. „Offenbar verfolgen die Lebensversicherer das Ziel, im Zinswettbewerb gegenüber Banken weiterhin bestehen zu können.“ Außerdem passt dieses Vorgehen zur derzeit inversen Zinsstrukturkurve am Kapitalmarkt, bei der Anleihen mit kurzen Laufzeiten bisweilen höher rentieren als Langfristanlagen.