Lebensversicherung: DAV gegen Anhebung des Höchstrechnungszinses
Keine gute Nachricht für Altersvorsorgesparer: Trotz steigender Zinsen am Kapitalmarkt empfehlen die Aktuare, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung 2024 unverändert bei 0,25 Prozent zu belassen.
Die hohe Inflation zwingt die Europäische Zentralbank zu einer deutlichen Straffung ihrer Geldpolitik. Der Einlagensatz könnte 2023 bis auf drei Prozent steigen – sollte sich der Preisdruck nicht abschwächen sind sogar noch höhere Leitzinsen möglich. Die Renditen für Bundesanleihen haben im Jahresverlauf um rund 2,3 Prozentpunkte zugelegt, doch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) bleibt das Team Vorsicht – und empfiehlt dem Bundesfinanzministerium bis 2024 keine Erhöhung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung. Seit diesem Jahr dürfen die Lebensversicherer ihren Kunden maximal einer Beitragsverzinsung in Höhe von 0,25 Prozent garantieren. „Die Zinssituation am Kapitalmarkt muss sich erst dauerhaft stabilisieren, bevor wir einen höheren Höchstrechnungszins empfehlen“, sagt DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann.
Die Zinsen am Kapitalmarkt könnten wieder sinken
Inflation, Russland-Ukraine-Krieg oder Pandemie: Der Berufsverband der deutschen Versicherungs- und Finanzmathematiker ist nicht davon überzeugt, dass die „disruptiven Faktoren“, die aktuell zu hohen Marktschwankungen beitragen, langfristig zu höheren Zinsen führen. Schneidemann verweist darauf, dass langlaufende Anleihen mit hoher Bonität geringer verzinst werden als Kurzläufer. Diese inverse Zinsstrukturkurve signalisiere eine relativ niedrige Langzeit-Erwartung für Zinsen. Hinzu komme, dass die Versicherer ihre Finanzsteuerung nachhaltig an das langjährige Niedrigzinsumfeld angepasst hätten. Eine schnelle Erhöhung des Höchstrechnungszinses sei auch deshalb nicht geboten.
100 Prozent Beitragsgarantie engt ein
Trotz der Empfehlung: An der Grundhaltung der DAV zur Notwendigkeit, Garantieanforderungen für staatlich geförderte Vorsorgeprodukte zu überarbeiten, habe sich nichts geändert. „Nach wie vor gibt es eine 100-Prozent-Beitragsgarantie für Lebensversicherungsprodukte, sodass ein Gros der Beiträge für die Absicherung der Garantien gebraucht wird. Das vermindert die Möglichkeiten, chancen- und renditereicher zu investieren“, sagt Schneidemann. Der Gesetzgeber müsse den Weg für ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis ebnen.
Wie der Höchstrechnungszins berechnet wird
2019 hat die DAV ihre Methodik zur Ermittlung des Höchstrechnungszinses angepasst. Die Zinsempfehlung orientiert sich seither nicht mehr primär an den historischen Renditen europäischer AAA-gerateter Staatsanleihen. Vielmehr berücksichtigt der Höchstrechnungszins die künftig realistisch am Kapitalmarkt erzielbaren Renditen der Lebensversicherungsunternehmen für neu abgeschlossene Verträge. Um diese zu berechnen, wurde ein repräsentatives Neuanlageportfolio eines Lebensversicherers mit konservativer Kapitalanlagestrategie modelliert. Dieses besteht im Wesentlichen aus festverzinslichen Wertpapieren und einem geringen Anteil aus Substanzwerten wie Aktien und Immobilien.
Sicherheitsabschlag in Zeiten niedriger Zinsen
Unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen wurden die aus diesem Anlageportfolio abgeleiteten Durchschnittsrenditen in die Zukunft projiziert. Zur Glättung wurde das arithmetische Mittel dieser Renditen über jeweils fünf Jahre gebildet. Außerdem setzt die DAV einen 40-prozentigen Abschlag als Sicherheitspuffer. Der rührt aus Mitte der 1990er-Jahre, als das europäische Versicherungsaufsichtsregime Solvency II eingeführt wurde. Doch gerade in Tiefzinsphasen halten die Versicherungsmathematiker diesen Sicherheitsabschlag weiterhin für erforderlich.