Exklusiv 22.09.2021 Sparten/Produkte

Nettotarif ab 2022: Die Bayerische bleibt pro Riester

Die Bayerische kämpft wie viele Mitbewerber um eine Riester-Reform. Ein Ausstieg kommt trotz der geforderten Abschaffung der 100-Prozent-Garantie aber nicht in Frage. Auch 2022 wird es ein Angebot für Neukunden geben, erfuhr FOCUS-MONEY-Versicherungsprofi aus dem Vorstand des Versicherungskonzerns.

Die Riester-Rente kam 2001 im Zuge der Reduzierung des gesetzlichen Nettorentenanspruchs von 70 auf 67 Prozent auf den Markt. Bis heute wurden über 16 Millionen Verträge abgeschlossen. (Foto: © Coloures-Pic - stock.adobe.com)
Die Riester-Rente kam 2001 im Zuge der Reduzierung des gesetzlichen Nettorentenanspruchs von 70 auf 67 Prozent auf den Markt. Bis heute wurden über 16 Millionen Verträge abgeschlossen.
(Foto: © Coloures-Pic - stock.adobe.com)

In den vergangenen Monaten häuften sich bei vielen Branchengrößen in der Assekuranz die Ankündigungen über einen Ausstieg aus der staatlich geföderten Altersvorsorge im Neugeschäft. Dass es auch anders gehen kann, beweist nun die Versicherungsgruppe die Bayerische mit einem klaren Bekenntnis pro Riester. „Meiner Ansicht nach ist die Riester-Rente nicht gescheitert, sondern eine totale Erfolgsstory“, sagte Vorstandsmitglied Martin Gräfer in einem exklusiven Hintergrundgespräch mit dem FOCUS-MONEY-Versicherungsprofi und kündigte ein Festhalten am Riester-Produkt an. „Ab Januar 2022 werden wir Riester exklusiv als Netto-Tarif verbunden mit einer Honorarvermittlungsvergütung für den Berater über den Dienstleister Nettowelt anbieten“, so Gräfer. Über das verbreitete Negativimage des Vorsorgekonzepts äußerte er zudem sein Unverständnis. Es gebe bis heute große Unwissenheit, auch bei Vermittlern, wofür Riester überhaupt geschaffen wurde. Es handele sich hierbei nicht um eine zusätzliche, sondern um eine ergänzende Altersvorsorge zum Ausgleich des sinkenden gesetzlichen Rentenniveaus. „Diesen Anspruch hat das Produkt immer erfüllt.“ Ihr klares Bekenntnis zu dem Vorsorgekonzept zeigt die Bayerische auch als Mitglied der Initiative „ProRiester“.

GroKo bringt keine Riester-Reform zustande

 

Kritik äußerten Gräfer und der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen, Dr. Herbert Schneidemann, vor allem an der SPD, die eine Reform verhindert hätte. Hintergrund: Die Neuausrichtung der staatlich geförderten kapitalgedeckten Vorsorge (Riester) war eines der großen rentenpolitischen Vorhaben der Bundesregierung. Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, zur Wiederbelebung der privaten Altersvorsorge ein standardisiertes, kostengünstiges Produkt zu entwickeln. Geklappt hat das bekanntlich nicht. Der Handlungsbedarf ist indes in vier Jahren „Groko“ nicht kleiner geworden, die Zins-Talfahrt hat sich ungebremst fortgesetzt. Ab dem 1. Januar 2022 gilt ein neuer Höchstrechnungszins in Höhe von 0,25 Prozent. Für viele Versicherer der endgültige Todesstoß für Riester-Produkte.

Auch geringere Garantie verspricht hohe Sicherheit

 

Handlungsbedarf sieht nun aufgrund der geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen auch die Bayerische und plädiert wie die Konkurrenz für eine Abkehr von der 100-prozentigen Bruttobeitragsgarantie in der Riester-Rente. Sie sei aber auch für die Fortführung des Produkts nicht erforderlich, so Schneidemann, der zugleich Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung ist. „Das Thema Garantie und Sicherheit wird oft verwechselt. Selbst bei einer 80-prozentigen Garantie bliebe eine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit auf eine auskömmliche Rente.“ Über die von Verbraucherschützern oft kritisierten angeblich zu hohen Kosten, sei eine Reform jedenfalls nicht möglich.

Foto: DAV

Das Thema Garantie und Sicherheit wird oft verwechselt. Selbst bei einer 80-prozentigen Garantie bliebe eine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit auf eine auskömmliche Rente.

Dr. Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender Versicherungsgruppe die Bayerische und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung

Wie Riester in Zukunft funktionieren soll

 

Doch die Bayerische hat andere Ansätze gefunden und bekennt sich auch aus sozialer Verantwortung zu Riester. Zwar wird die aktuelle Tarifgeneration zum Jahresende schließen, das Konzept ab 2022 mit einem Nettotarif verbunden mit einer Honorarvermittlungsvergütung für den Berater über den Dienstleister Nettowelt aber fortgeführt. Das Goslaer Unternehmen ist eine hundertprozentige Tochter der Vertriebsgesellschaft der Bayerischen (die Bayerische Prokunde AG). Bei der künftigen Nettopolice wird die Provision nicht mehr in das Produkt eingerechnet.

Für den neuen Riester-Tarif hat die Bayerische die Kalkulation neu aufgestellt, um die rechtlich bindende 100 Prozent-Bruttobeitragsgarantie erfüllen zu können. Besonderen Fokus habe man dabei auf die ursprüngliche Kernzielgruppe (Familien und Alleinerziehende mit geringem bis mittlerem Einkommen) gelegt, um diesen ein günstiges Produkt mit „vernünftigen Laufzeiten“ anbieten zu können. So erziele man mit den eigenen Hochrechnungen für den neuen Tarif eine höhere Ablaufleistung gegenüber heutigen Bruttotarifen, aber eine geringere Ablaufleistung gegenüber heutigen Nettotarifen, was auf die Senkung des Rechnungszinses zurückzuführen sei.

Ohne Reform werden die Renditechancen gehemmt

 

Das Riester-Produkt soll als dynamischer Drei-Topf-Hybrid bestehen bleiben. Die ersten beiden Töpfe sorgen dabei für die 100-prozentige Bruttobeitragsgarantie, wohingegen die freie Fondsanlage als „Rendite-Booster“ diene. Mit der Rechnungszinssenkung erhöht sich zukünftig der Sparanteil in den ersten beiden Töpfen, wodurch sich auch der Anteil an konservativen Anlagen erhöht, so die Bayerische. Die Münchener rechnen damit, dass 2022 nach Ausfinanzierung der Garantie in neuabgeschlossenen Riester-Verträgen durchschnittlich je nach Beitragssumme nur noch ein bis fünf Prozent der Beiträge in die freie Fondsanlage fließen. Damit werde das gesamte Produkt entsprechend konservativer und die Renditechancen gehemmt. Umso mehr fordert der Versicherer, nachdem es in dieser Legislaturperiode mit einer Reform nicht geklappt hat, nach der Wahl einen neuen Anlauf zu nehmen.


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