Ökonomen wollen Riester-Pflicht
Nicht nur über den Einstieg in eine Aktienrente, sondern auch in der dritten Säule der Altersvorsorge soll eine stärkere Kapitaldeckung Einzug halten. So sieht es zumindest der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium. Für Riester bedeutet das eine radikale Reform, ohne Beitragsgarantie und mit Pflichtbeitrag.
Der Einstieg in eine stärkere Kapitaldeckung in der Altersvorsorge und die Weiterentwicklung der privaten Altersvorsorge ist im Ampel-Koalitionsvertrag verabredet. An der Umsetzung hakt es bisher noch. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums (BMF) hat vergangene Woche nun eine Stellungnahme mit seinen Empfehlungen abgegeben.
Einstieg in Kapitaldeckung auch bei Riester
In dem 25-seitigen Papier des mit 32 Ökonomen besetzten Gremiums heißt es, dass der Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung dazu beitragen könne, die sozialen Alterssicherungssysteme zukunftssicherer zu gestalten. „Die Möglichkeit einer langfristig orientierten und breit diversifizierten Anlage in die Kapitalmärkte bietet zusätzliche Möglichkeiten der Alterssicherung“, schreiben die Autoren. Bemerkenswert ist, dass dies nicht nur über die von den Koalitionären angedachte Aktienrente, sondern auch über den Weg einer obligatorischen privaten Zusatzvorsorge erfolgen soll, also durch eine Reform der Riester-Rente. Sie sollte aus Sicht des Expertengremiums in Richtung eines kapitalgedeckten Systems mit verpflichtendem Beitrag entwickelt werden. Hintergrund der Überlegungen ist unter anderem, dass die staatlich geförderte Altersvorsorge durch den niedrigen Höchstrechnungszins und die Abkehr vieler Produktgeber auf dem Rückzug sei. Laut BMF-Beirat entsprechen die derzeitigen 16,5 Millionen Verträge nicht den ursprünglichen Erwartungen. Ein weiteres Problem: Gerade diejenigen, die am stärksten vorsorgen sollten, hätten kaum Anreize, einen Riester-Vertrag abzuschließen, da niedrige Alterseinkünfte vom Staat aufgestockt werden. Daher solle eine Sparpflicht für diejenigen eingeführt werden, die nicht aus anderen Quellen ein Mindestniveau an Alterseinkünften erreichen.
Fondslösung ohne Beitragsgarantien
Um Riester in Richtung einer verpflichtenden, kapitalgedeckten Vorsorge zu reformieren, bringen die Ökonomen die Idee eines öffentlich verwalteten Fonds ins Spiel. Dieser solle ohne Beitragsgarantien auskommen, da diese Investitionen in renditeträchtigere Anlageklassen verhinderten und somit gerade in Niedrigzinszeiten Renditechancen ausließen. Auch der Verrentungszwang wird von den Wissenschaftlern in Frage gestellt – allerdings hätte eine Auszahlung der gesamten Altersvorsorge den Nachteil, dass das Langlebigkeitsrisiko nicht entsprechend abgedeckt werde. Auch könnte der Staat wieder ins sogenannte Samariter-Dilemma rutschen. Denn wenn das Altersvorsorgevermögen ausgegeben oder verschenkt worden sei, müsste der Staat wieder mit Leistungszahlungen aushelfen. In jedem Fall bedürfe es einer staatlichen Anschubfinanzierung. Der Beirat schreibt dazu: „Zu prüfen ist, ob das kapitalgedeckte System durch eine mit den Fiskalregeln kompatible öffentliche Schuldenfinanzierung ausgebaut werden sollte.“
Lob und Kritik vom BVK
Kaum veröffentlicht, meldete sich der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) zu Wort und begrüßte, dass mit der Stellungnahme wieder Schwung in die Rentendebatte komme. „Wir teilen die Forderung des Beirats, dass die Möglichkeiten für die Einrichtung eines staatlichen Fonds und die damit verbundenen Risiken sorgfältig abgewogen werden sollten, bevor eine Entscheidung getroffen wird“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. „Gerade in Krisenzeiten müssen Kapitalmarktrisken einbezogen und mögliche Zweckentfremdungen des Anlagevermögens durch den Staat ausgeschlossen werden“, so Heinz weiter. Einer schuldenfinanzierten staatlichen Förderung steht der BVK nach eigener Aussage kritisch gegenüber.
Zudem begrüße der Vermittlerverband den vorgeschlagenen Bestandsschutz für Riester-Sparer, vermisse aber konkrete Vorschläge, wie die Riester-Rente reformiert werden kann. Hierzu habe der BVK bereits eigene Vorschläge unterbreitet. Eine Abkehr von der Beitragsgarantie sowie die Opt-Out-Möglichkeiten für private Anbieter bei der Verwaltung des Anlagevermögens befürwortet der BVK zwar grundsätzlich, aus „marktwirtschaftlichen Erwägungen“ bevorzuge man aber eine freie verpflichtende Wahl zwischen privaten und staatlichen Anlagemöglichkeiten.