Rating für nachhaltige Fondsprodukte: Sind wirklich so viele „exzellent“?
45 von 65 Tarifen bekommen in einem neuen Rating zu nachhaltigen fondsgebundenen Rentenversicherungen eine sehr gute oder sogar exzellente Bewertung. Trotz eines erweiterten Kriterienkatalogs hat die Untersuchung eine Schwachstelle.
Das Beratungsunternehmen Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat ein überarbeitetes Nachhaltigkeitsrating für Fondspolicen veröffentlicht. Dabei wurden über 65 Tarife von 40 Anbietern untersucht. Grundlage des Ratings sind private fondsgebundene Rentenversicherungen und deren Fondssortiment. Diese reine Fondsabfrage soll laut der Autoren Beratern und Kunden eine erste Orientierung bieten, welche Fondspolicen über ein qualitativ hochwertiges nachhaltiges Fondsangebot verfügen und zugleich Gestaltungsspielräume lassen, um die Kapitalanlage anhand der Präferenzen des Kunden passend gestalten zu können.
Kriterienkatalog für Rating deutlich erweitert
Hintergrund der Neuauflage sind laut IVFP die immer neuen regulatorischen Anforderungen. „Alle Anpassungen in puncto Nachhaltigkeit sinnvoll in unser Rating zu integrieren und nicht stupide abzufragen, das war bei diesem Tempo eine große Herausforderung“, sagt Andreas Kick, Prokurist und Partner bei dem Unternehmen. „Unser runderneuertes Fondspolicen-Nachhaltigkeits-Rating hat sich mit nunmehr 52 Kriterien im Umfang zu 2021 fast verdreifacht. Durch die Hinzunahme weiterer Fondsratings sowie der Einordnung nach EU-Offenlegungsverordnung als Klassifizierungsansätze für nachhaltige Fonds haben wir nicht nur den Umfang gesteigert, sondern die Qualität des Ratings noch einmal deutlich erhöht. Unser Ziel war es, ein höheres Maß an Diversifizierung zu erlangen und dadurch die Aussagekraft zu erhöhen“, so Kick. Die Kriterien und wie sie gewichtet wurden, lässt sich hier nachlesen.
Keine Überprüfung der ESG-Kriterien
Allerdings stellt das IVFP, wie es in der Einführung der Untersuchung heißt, keine eigenen „ESG-Untersuchungskriterien“ auf, anhand derer die Versicherer sowie die Unternehmen innerhalb der Fonds bewertet werden. Zum einen gebe es am Markt schon zahlreiche Ratinghäuser, die Unternehmen auf Nachhaltigkeit untersuchen und zum anderen seien die Präferenzen von Anleger zu Anleger sehr individuell. Das ist zwar grundsätzlich richtig, doch damit kann die Untersuchung die vordringlichste Frage, nämlich ob ein Fondsprodukt zu Recht nachhaltig genannt wird, nicht beantworten. Der hier erwähnte Zusatz ESG (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) ist bei Fondsprodukten zu einem zentralen Begriff und einem verkaufsfördernden Signal an die Kunden geworden: Wo ESG drauf steht, ist Nachhaltigkeit drin. Doch an dieser Faustformel bestehen erhebliche Zweifel. Der Vorwurf von Verbraucherschützern und Nichtregierungsorganisationen lautet allzu oft: „Greenwashing“, womit Strategien und Methoden beschrieben werden, sich zu Unrecht ein nachhaltiges Image zu verpassen.
Fragwürdiger Bezug zur EU-Offenlegungsverordnung
In der Praxis begründen die Produktgeber das ESG-Label unter anderem mit der EU-Offenlegungsverordnung. Also genau die Verordnung, auf die sich auch das IVFP bezieht. Sie ist seit dem 10. März 2021 in Kraft und erlaubt es, Finanzprodukte bereits dann als nachhaltig zu bezeichnen, wenn sie transparent machen, nach welchen Kriterien die Fonds Nachhaltigkeit definieren. Diese Kriterien können die Anbieter bislang aber selbst bestimmen. So kann es dazu kommen, dass für die Fondsauswahl Branchen im Sinne einer vermeintlichen Nachhaltigkeit ausgeschlossen worden, die mit der Ausrichtung des Fonds gar nichts zu tun haben und für eine Investition gar nicht in Frage kommen. Für viele Experten ist das eine Lücke in der EU-Regulierung. So sind die Rating-Ergebnisse also mit Vorsicht zu genießen, zumal sie vom IVFP als „durchaus erfreulich“ bezeichnet werden. So heißt es: „Das Angebot ist bereits sehr gut, jedoch ist auch noch ausreichend Potenzial für weitere Verbesserungen gegeben.“
„Exzellente“ Tarife nehmen deutlich zu
Gegenüber dem Vorjahr steigt die Zahl der mit der Höchstnote „exzellent“ bewerteten Tarife von 19 auf 27 Tarife deutlich an. Mit gleich vier Produkten ist der Volkswohl Bund vertreten. Weitere Versicherer, die gleich mehrere nachhaltige Fondspolicen mit der höchsten IVFP-Auszeichnung haben, sind Allianz, Alte Leipziger, Ergo Life, Ergo Vorsorge Lebensversicherung, HDI, Neue Leben und die Stuttgarter. Weitere 18 Tarife von 13 Anbietern werden darüber hinaus mit „sehr gut“ bewertet, 20 Tarife, die diese Benchmark nicht erreichen, bleiben schlicht unerwähnt. Der Nachhaltigkeitsansatz der Fondspolice „Pangaea Life Investment Rente“ der Bayerischen wurde aufgrund des Anlagekonzepts mit einem Spezialfonds in einer gesonderten Untersuchung vom IVFP als ausgezeichnetes Produkt bewertet. Die Ergebnisübersicht gibt es hier.