17.05.2022 Sparten/Produkte

Run-off-Versicherer sammeln die meisten BaFin-Beschwerden

1045 Beschwerden bei über 82 Millionen Verträgen: Auch wenn diese Zahl verschwindet gering erscheint, sind die Unterschiede unter den Lebensversicherern, was die relative Zahl von Reklamationen angeht, sehr groß. Vor allem der Run-Off-Spezialist Viridum schneidet 2021 schlecht ab, hat aber eine Erklärung dafür.

Haben vor allem Run-Off-Gesellschaften unzufriedene Kunden? Aktuelle BaFin-Zahlen geben dieser Vermutung Nahrung. (Foto: © twinsterphoto - stock.adobe.com)
Haben vor allem Run-Off-Gesellschaften unzufriedene Kunden? Aktuelle BaFin-Zahlen geben dieser Vermutung Nahrung.
(Foto: © twinsterphoto - stock.adobe.com)

2021 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 1045 Beschwerden über deutsche Lebensversicherer abschließend bearbeitet, rund sechs Prozent weniger als im Jahr zuvor. Im Schnitt aller Versicherer reichten unzufriedene Kunden damit 1,3 Beschwerden je 100.000 Verträge ein. Das geht aus einer aktuellen spartenbezogenen Statistik hervor, die die Aufsichtsbehörde vergangene Woche veröffentlicht hat. Insgesamt wurden Beschwerden zu 69 Lebensversicherern eingereicht. 

Marktgrößen schneiden vergleichsweise gut ab

 

Blickt man zunächst auf die Schwergewichte der Branche, so schneiden diese mit Beschwerdequoten mehrheitlich unter dem Marktschnitt vergleichsweise gut ab. Marktführer Allianz Leben hält laut BaFin-Statistik aktuell 11.327.465 Verträge. Bei dieser enormen Zahl bedeuten 116 Beschwerden lediglich eine Quote von 1,02 je 100.000. Den Bestand beim zweitgrößten Anbieter, der Generali Leben, beziffert die BaFin auf 5.197.893 Verträge. Bei 55 Beschwerden im vergangenen Jahr bedeutet dies mit 1,06 ebenfalls eine Quote leicht unter dem Branchenschnitt. Noch besser machte es die R+V Leben, die Nummer 3 im Markt. Hier liegt die Quote bei einem Vertragsbestand von 4.150.319 gerade mal bei 0,34 Beschwerden je 100.000 Verträgen.

Oberhalb des Branchendurchschnitts lagen von den großen Versicherern mit über 1,9 Millionen Verträgen im Bestand nur drei Anbieter: Axa (1,46), HDI (1,83) und Proxalto (4,13). Letztere ist ebenfalls eine Viridium-Tochter und wickelt seit 2019 die knapp vier Millionen Klassik-Policen der Generali Leben ab.

Hohe Quoten vor allem bei Run-Off-Anbietern

 

Auffällig ist, dass besonders Versicherer, die aktuell kein Neugeschäft mehr betreiben und deren Bestand nur noch abgewickelt wird, hohe Beschwerdequoten aufweisen. So sind die drei Anbieter mit der höchsten Quote und sechs der ersten zehn dieser negativen Top-Ten zur Gruppe der sogenannten Run-Off-Anbieter zu zählen. An erster Stelle der Versicherer mit den meisten Beschwerden im Verhältnis zum Vertragsbestand ist die Skandia Lebensversicherung mit einer Beschwerdequote von 28,16. Mit gehörigem Abstand folgen der Vorjahresspitzenreiter Heidelberger Leben (10,78) sowie Entis Lebensversicherung (9,70). Alle drei Gesellschaften befinden sich unter dem Dach der Viridium-Gruppe, die sich auf die Betreuung von Altbeständen ohne Neugeschäft spezialisiert hat.

Zahlen werden schlechtes Licht auf Viridium

 

Appropos Viridium: Erst vergangene Woche war das Unternehmen aus Neu-Isenburg wegen einer möglichen Übernahme des Bestands der deutschen Zurich-Tochter in den Schlagzeilen. Es geht um den Verkauf von bis zu 800.000 klassischen Lebensversicherungen. Nun werfen die BaFin-Zahlen kein gutes Licht auf den Abwickler. Die Vermutung, dass sich die relativ hohe Zahl der Beschwerden auf eine grundsätzliche Unzufriedenheit der Kunden mit dem Geschäftsmodell externer Run-off bezieht, wird laut Medienberichten bei Viridium erwartungsgemäß nicht geteilt. Aus dem Unternehmen heißt es, „dass die Stornoquoten aller vier Lebensversicherer in den Jahren nach dem Erwerb durch Viridium stärker gesunken sind als im Marktdurchschnitt“. Das sei ein Beleg für die Kundenzufriedenheit. Außerdem würden die Überschussbeteiligungen zeigen, dass das Geschäftsmodell den Versicherten Vorteile bringt.

Umstellungsprozesse für Zuwachs an Beschwerden verantwortlich

 

Trotz allem hat der Abwickler Gründe für die negative Entwicklung im vergangenen Jahr parat und nennt die Bündelung der Kundenservice-Einheiten aller vier Gesellschaften der Gruppe am Standort Hamburg. Diese Investition hätte zunächst für einen gewissen Zeitraum zusätzlichen Aufwand in Form von Umstellungsarbeiten und teils längeren Bearbeitungszeiten mit sich gebracht, heißt es in einem Medienbericht. Ähnliche Probleme verursachte demnach die Überführung von 700.000 Proxalto-Verträgen auf eine neue IT- und Systemplattform. Man arbeite in beiden Fällen daran, die Modernisierungsphase zügig abzuschließen und die Zahl der Beschwerden zu reduzieren. „Denn natürlich sind wir mit der Entwicklung im Jahr 2021 – auch wenn diese aus den genannten Gründen größtenteils erklärbar ist – insgesamt nicht zufrieden“, so ein Sprecher.

Beschwerdestatistik der BaFin

Die Versicherungsaufsicht veröffentlicht jährlich eine nach Versicherungsunternehmen und -zweigen aufgeschlüsselte unternehmensindividuelle Beschwerdestatistik. Hierzu hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen, einen der drei Vorgänger der BaFin, mit Urteil vom 25. Juli 1995 (Az. OVG 8 B 16/94) verpflichtet.

Die Beschwerdestatistik gibt an, wie viele Beschwerden die BaFin pro Jahr für den Geschäftsbereich der Versicherungsaufsicht abschließend bearbeitet hat. Darüber, ob die bearbeiteten Beschwerden begründet sind, und damit auch über die Qualität des Versicherungsgeschäfts trifft die Statistik keine Aussage.

Um einen Indikator über die Größe des Versicherungsgeschäfts zu geben, wird der Zahl der Beschwerden, die die BaFin abschließend bearbeitet hat, die Zahl der Verträge in der jeweiligen Sparte gegenübergestellt. Die Bestandszahlen werden von den Unternehmen gemeldet. Stark expandierende Versicherer, zu denen häufig neu gegründete Unternehmen gehören, werden durch die Nennung der Bestandszahlen nicht angemessen berücksichtigt, weil sich der im Laufe des Jahres erhöhte Bestand, aus dem sich die Beschwerden ergeben, nicht in der Statistik wiederfindet.


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