Run-Off-Versicherer strapaziert Geduld der Kunden
Gravierende Verzögerungen bei der Auszahlung von Verträgen: Die Klagen über Proxalto häufen sich. Die Viridium-Tochter hatte vor knapp vier Jahren Altbestände von der Generali übernommen.
Schon haben Anwälte die Messer gewetzt und bieten im Internet Musterbriefe an. Motto: „Proxalto zahlt nicht – wir helfen!“ Tatsächlich scheint der Run-off-Versicherer seine schon vor Monaten bekannt gewordenen IT-Probleme noch nicht so ganz in den Griff bekommen zu haben, wie jüngst auch die Verbraucherzentrale Hamburg (vzhh) monierte. Die zur Viridium-Gruppe gehörende Gesellschaft hatte einer Kundin von Oktober 2021 bis September 2022 deren Privatrente in Höhe von monatlich knapp 470 Euro nicht ausbezahlt. „Auf schriftliche Aufforderungen der Verbraucherin reagierte die Proxalto nicht“, so die Verbraucherzentrale. Erst als sich die Organisation beschwert habe, sei die Rente nebst Zinsen nachgezahlt worden. Nachdem im Oktober 2022 die Rente regulär auf dem Konto der Kundin eingegangen war, blieb die Zahlung im November erneut aus. Proxalto sprach von einem individuellen Fehler in der Sachbearbeitung und überwies zusätzlich zehn Euro als Wiedergutmachung. „Ein schlechter Witz”, kommentierte das Sandra Klug von der vzhh.
Schlanke Strukturen, hohe Erträge
Hintergrund der Schwierigkeiten ist offenbar eine groß angelegte IT-Umstellung, bei der die Proxalto-Mutter Viridium 2,2 Millionen Verträge auf eine neue Plattform migriert hat. Das hatte bereits im März zu Problemen bei der Auszahlung von Privatrenten geführt. Viridium ist eine sogenannte „Run-off“-Gesellschaft, die Lebensversicherungsbestände anderer Unternehmen übernimmt und bis zum Ablauf fortführt. Kern sind die 3,9 Millionen Verträge der Generali Leben, die im April 2019 übernommen wurden. Erst kürzlich wurde außerdem eine Vereinbarung getroffen, rund 700.000 Verträge aus dem Bestand der Zurich-Versicherung zu übernehmen. Die Ratingagentur Assekurata hatte vor Kurzem in einer Studie den Run-off-Unternehmen in Deutschland attestiert, überdurchschnittlich hohe Erträge zu erwirtschaften – Verwalter wie Athora und Entis glänzen tatsächlich mit ordentlichen Überschussbeteiligungen. Darin besteht auch der Reiz des Geschäftsmodells: Bündelung großer Bestände, moderne IT, mangels Neugeschäft keine Vertriebskosten erlauben schlanke Strukturen – doch die scheinen mitunter zulasten des Services und der Zuverlässigkeit zu gehen.
Rote Laterne bei Beschwerden
So waren laut Beschwerdestatistik der BaFin die drei Versicherer mit den meisten Beschwerden im Verhältnis zum Betragsbestand allesamt Run-off-Anbieter: Skandia Lebensversicherung (Beschwerdequote 28,16), Heidelberger Leben (10,78) sowie Entis (9,70). Alle drei Gesellschaften gehören wie die sechstplatzierte Proxalto (4,13) zur Viridium-Gruppe. Als sich in einem Fall der Versicherungsombudsmann einschaltete, hatte Proxalto versichert: „Selbstverständlich legen wir größten Wert auf einen guten Kundenservice, dazu gehört selbstverständlich auch eine pünktliche Rentenzahlung.“ Das Unternehmen habe mittlerweile die Zahl der Mitarbeiter im Hamburger Kundenservicebüro um etwa 200 auf knapp 400 erhöht, sagt Viridium-Chef Tilo Dresig. Er verspricht: „Jeder Kunde kriegt sein Geld.“