Solvabilität: BdV würdigt Lebensversicherer
Überraschendes Lob vom Bund der Versicherten: In der jährlichen Analyse der Solvenzberichte attestieren die Verbraucherschützer und Branchenkritiker der Mehrzahl der deutschen Lebensversicherer eine gestiegene Transparenz und eine verbesserte Ausstattung mit Eigenkapital – geben aber noch „keine Entwarnung”.
„Deutsche Lebensversicherer haben ihre Hausaufgaben gemacht” lautet doch tatsächlich die Überschrift einer Pressemitteilung der Verbraucherorganisation Bund der Versicherten (BdV). Solche Töne ist man von der Organisation, die zu den schärfsten Kritikerinnen der deutschen Lebensversicherungsbranche zählt, eher nicht gewohnt. Noch im vergangenen Jahr hieß es: „Die Branche driftet auseinander“ oder „Mehr als ein Viertel der Versicherer sind angezählt”.
Entspannung, aber keine Entwarnung
Doch nun sind die deutschen Lebensversicherer nach BdV-Lesart auf die Niedrigzinsphase gut vorbereitet und weisen überwiegend eine ausreichende Solvenz aus. Die dramatische Situation der letzten Jahre habe sich für viele Versicherungsgesellschaften damit zwar entspannt, Entwarnung sei aber noch nicht angesagt. „Denn der Griff in die Überschusskasse der Kunden wird wichtiger“, mahnt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher beim BdV, der seinen Posten Ende September räumen wird. Zu diesem Ergebnis kommt die diesjährige Analyse der Solvabilitätsberichte deutscher Lebensversicherer, die der BdV gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Zielke Research Consult zum sechsten Mal veröffentlicht hat. Im vergangenen Jahr hatte das – negative – Ergebnis für viel Unmut in der Branche gesorgt, nicht zuletzt, weil Zielke deutlich strengere Maßstäbe an die Eigenmittelausstattung anlegt als etwa die zuständige Behörde, die BaFin. 2021 war in Richtung von Zielke noch von handwerklichen Fehlern, Intransparenz oder falschen Schlussfolgerungen die Rede. Spannend wird sein, wie die Versicherer dieses Jahr auf die Ergebnisse reagieren werden.
Weniger gefährdete Lebensversicherer, höhere Transparenz bis auf Allianz
Denn auch 2022 werden immerhin noch 13 Unternehmen angezählt, das heißt, sie haben nach den Zielke-Berechnungen nur durch Übergangsmaßnahmen oder den Griff in die Überschusskasse der Versicherten eine ausreichende Solvenz oder weisen eine negative Gewinnerwartung auf. Nach 23 gefährdeten Lebensversicherern im Vorjahr hat sich die Zahl aber deutlich verringert. Auch haben sich laut Auswertung fast alle im letzten Jahr angezählten Anbieter nun verbessert. Die Transparenz der Berichte, die in den vergangenen Jahren vom BdV vielfach moniert wurde, sei zudem auf einem vergleichsweise hohen Niveau. „Das ist sehr erfreulich, die Versicherungsgesellschaften haben hier ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Kleinlein.
Doch es gibt auch Negativentwicklungen, besonders bei einigen größeren Unternehmen. Dort habe die Transparenz an der einen oder anderen Stelle deutlich abgenommen. Deutschland sei von Spanien als transparentester Markt eingeholt worden. „Das liegt nicht zuletzt daran, dass auch große Marktplayer wie die Allianz sich nun für intransparentere Berichte entschieden haben“, so Kleinlein.
Einige Run-Off-Unternehmen mit Problemen
Während die Biometrie-Versicherer weiterhin stabil aufgestellt seien, gibt es laut Studie innerhalb der Run-Off-Gesellschaften große Unterschiede. Einige dieser Unternehmen wiesen auch weiterhin problematische Solvenzquoten aus oder seien in anderen Kennzahlen nicht gut aufgestellt. Dies treffe jedoch nicht auf alle Run-Off-Unternehmen zu. Erstmals wurde auch geprüft, ob es Hinweise zu Nachhaltigkeitsrisiken gibt. 32 Gesellschaften nehmen hierzu keinen Bezug. „Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema für die CSR-Berichterstattung, sondern auch für die Solvenzeinschätzung. Das scheint noch nicht bei allen Gesellschaften angekommen zu sein“, sagt Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer der Zielke Research Consult GmbH.
Branche zu unflexibel
Auswirkungen der jetzt wieder steigenden Zinsen werden sich laut BdV erst in vielen Jahren als Überschussbeteiligung bei den Kunden bemerkbar machen. Kurzfristig helfe es aber den Solvenzquoten. Den – so die BdV-Lieblingsformel – „legalen Betrug“ aber dürften auch steigende Zinsen nicht beenden. „Die deutsche Lebensversicherung ist zu unflexibel, um auf sich ändernde Zinsen reagieren zu können, das haben die letzten Jahre einmal mehr gezeigt“, sagt Kleinlein, der elf Jahre BdV-Vorstandssprecher war. Besonders die Unternehmen, die viel in Staatsanleihen investiert haben, würden durch die deutschen Anforderungen nach HGB Schwierigkeiten bekommen – sie kämen in der Regel zwar besser durch Zeiten niedriger Zinsen, können aber bei steigenden Zinsen nur geringe Überschüsse geben.