Verbraucherzentrale fordert grundlegende bAV-Reform
Der Verbraucherzentrale Bundesverband übt harsche Kritik an der Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung und an der Versicherungswirtschaft. Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Kurz vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen ist offen, wie die baV in eine Reform mit mehr Kapitaldeckung eingebaut werden soll.
Das Sondierungspapier der sich anbahnenden Ampel-Koalition hat den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) alarmiert. Hintergrund ist die Absichtserklärung, dass in der Altersvorsorge die Kapitaldeckung zukünftig eine größere Rolle spielen soll. Zuletzt machten im politischen Berlin Gerüchte die Runde, wonach die drei Parteien vor allem die Bedeutung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) weiter ausbauen wollen. Genau hier tritt der vzbv auf den Plan, der dieses Vorhaben ohne eine grundlegende Reform der zweiten Säulen der Altersvorsorge ablehnt. „Ich warne vor Gedankenspielen, bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge auf die betriebliche Vorsorge in ihrer derzeitigen Form zu setzen“, so vzbv-Chef Klaus Müller gegenüber der „Welt am Sonntag“. „Eine Reform dieser Art wäre eine Fehlentscheidung mit unbewussten Nachteilen für die Arbeitnehmer und würde deren Altersvorsorge nicht stärken, sondern schwächen.“
Verbraucherschützer benennen Reformbereiche
Nun hat der Verband mit einem Positionspapier nachgelegt und den Reformbedarf in der betrieblichen Altersvorsorge konkretisiert. Jenseits der unzureichenden Verbreitung (2015: 56,2 Prozent, 2019: 53,9 Prozent) sei die bAV wegen einer Reihe schwerwiegender Probleme für Verbraucher häufig unattraktiv. Bedenklich ist aus Sicht des vzbv dabei, dass Tarifparteien und Politik die bAV vor allem als Teil der Mitarbeiterbindung und des Vergütungssystems sehen, wodurch der Eindruck entsteht, dass die Effizienz gerade im Hinblick auf die Leistungen im Ruhestand nachrangig sei. Um die arbeitnehmerfinanzierte bAV zu einer tragenden Säule der Alterssicherung in Deutschland zu machen, müsste es in mindestens drei Bereichen grundlegende Änderungen geben.
Höherer Arbeitgeberzuschuss statt reiner Entgeltumwandlung
So werde vom Finanzvertrieb die betriebliche Entgeltumwandlung häufig als lukrative Form der Altersvorsorge dargestellt, da auf Beitragszahlungen zunächst keine Sozialabgaben und auch keine Steuern anfallen. Doch für die Verbraucher habe dies den Nachteil, dass die Betriebsrente beim Rentenbezug zu versteuern ist, sodass die heute eingesparten Steuern lediglich gestundet werden. Problematisch sei auch, dass Arbeitgeber seit 2019 bAV-Neuverträge mit 15 Prozent des Betrages der Entgeltumwandlung bezuschussen müssen, was ab dem kommenden Jahr auch für Altverträge gilt. „Durch die geringeren Sozialabgaben werden künftige Auszahlungen aus der gesetzlichen Rente für Verbraucher reduziert“, so Müller. „Eine ergänzende betriebliche Altersversorgung, die dazu führt, die gesetzliche Rente zu schwächen, ist nicht sinnvoll.“
Ohne einen signifikanten Arbeitgeberzuschuss würden die Verträge dem Grundversprechen einer „betrieblichen“ Vorsorge nicht gerecht werden. Der Rechtsanspruch auf eine bAV dürfe nicht bloß im Abschluss eines Vorsorgevertrags über den Betrieb bestehen. Vielmehr müssten Arbeitgeber einen signifikanten Beitrag zur Finanzierung leisten.
Übertragbarkeit der Verträge unzureichend
Ein weiterer Kritikpunkt ist die eingeschränkte Portabilität. Denn seine angesparten Ansprüche könne ein Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht einfach mitnehmen. So könnten Arbeitnehmer allenfalls den Rückkaufwert des alten Vertrages auf den Anbieter beim neuen Arbeitgeber übertragen. Voraussetzung sei jedoch ein sogenanntes Übertragungsabkommen, dem sowohl alter als auch neuer Anbieter beigetreten sind. Darüber hinaus müssten auch beide Arbeitgeber einverstanden sein. Nutznießer seien der Finanzvertrieb, der nur durch Neuabschlüsse Provisionserträge generieren kann, und Arbeitgeber, die bAV-Verträge als Instrument der Mitarbeiterbindung nutzen. Konkrete Vorschläge, wie eine Reform an dieser Stelle aussehen könne, fehlen in dem Positionspapier.
Kosten zu hoch, Rendite zu gering
Die Verbraucherschützer bemängeln außerdem, dass die betriebliche Altersversorgung zumeist in Form von Lebensversicherungen durchgeführt wird. Eine solche Vorsorge sei jedoch unflexibel und unsicher. Zudem müssten die Versicherer durch die garantierten Leistungen das Kapital überwiegend in festverzinsliche Rentenpapiere investieren, die sich jedoch kaum rentieren. Es sei im Interesse Arbeitnehmer, beim Kapitalaufbau deutlich mehr auf Aktien zu setzen. Auch die hohen erheblichen Abschlusskosten sind laut vzbv problematisch, insbesondere dann, wenn der Vertrag wegen eines Arbeitsplatzwechsels in einem frühen Stadium storniert werde.
Vorsorgefonds wäre aus vzbv-Sicht geeignete Lösung
Der vzbv präsentiert in seinem Papier eine eigene Lösung, die den Vorstellungen zur Reform der Riester-Rente ähnelt. So soll ein öffentlich-rechtlich organisierter Vorsorgefonds geschaffen werden, der mit der privaten Altersvorsorge kombiniert werden könne. „Der beste Weg wäre ein einfaches öffentliches Standardprodukt, das Verbraucher sowohl für die private Altersvorsorge nutzen können als auch für die Vorsorge über den Betrieb“, sagte vzbv-Chef Müller.