Wie sehr darf man seinem Ehepartner vertrauen?
Ein Mann bittet seine Gattin, den Wohnmobilschlüssel mit ins Haus zu nehmen. Sie vergisst es – und sperrt auch nicht ab. Prompt wird der Caravan gestohlen. Liegt hier grobe Fahrlässigkeit vor? VP-Rechtsexperte Norman Wirth bespricht ein aktuelles Urteil des OLG Hamm.
Der Fall.
Der Besitzer eines teilkaskoversicherten Wohnmobils rief seiner Ehefrau zu, Gegenstände aus dem Caravan zu holen und den Fahrzeugschlüssel mit ins Haus zu nehmen. Er vergaß dabei, sie explizit zum Abschließen des Wohnmobils aufzufordern. Aufgrund eines Missverständnisses folgte die Ehefrau auch der Bitte zur Schlüsselmitnahme nicht. In der Folge wurde das Wohnmobil gestohlen. Auch Zweitschlüssel und Fahrzeugschein befanden sich im gestohlenen Fahrzeug.
Die Streitsache.
Die Versicherung des Geschädigten kürzte daraufhin die Zahlung. Begründung: Der Versicherte habe grob fahrlässig gehandelt. Er habe nicht überprüft, ob das Fahrzeug tatsächlich abgeschlossen gewesen sei, und habe es unbeaufsichtigt stehen gelassen. Der Versicherte hielt dem entgegen, dass sein Versäumnis auf einem verständlichen Fehler und dem Vertrauen innerhalb der Ehe beruht habe. Zudem sei er nicht verpflichtet, seine Ehefrau zu kontrollieren. Es kam zur Klage.
Das Urteil.
Der Fall ging bis vor das Oberlandesgericht Hamm (Az. 6 U 107/21). Dort wurde das Urteil der Vorinstanz bestätigt. Auch das OLG erkannte dem Kläger den Anspruch auf die volle Versicherungsleistung zu. Es wurde keine grobe Fahrlässigkeit seitens des Klägers festgestellt. Die Versicherung trägt die Beweislast für grob fahrlässiges Verhalten und die Verursachung des Versicherungsfalls. Da die Versicherung hierfür jedoch keine ausreichenden Nachweise erbrachte, wurde die Leistungskürzung abgelehnt. Das Gericht betonte, dass Missverständnisse jedem passieren können und keine subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung darstellen. Der Versicherungsnehmer war nicht verpflichtet, das Abschließen des Fahrzeugs oder das Mitbringen des Schlüssels zu überwachen. Es gab auch keinen Hinweis darauf, dass das Vertrauen zwischen den Ehegatten ungerechtfertigt war. Das Aufbewahren von Zweitschlüssel und Fahrzeugschein wurde ebenfalls nicht als grobe Fahrlässigkeit bewertet, da der Versicherer hierfür keinen Kausalitätsnachweis erbrachte.
Das Fazit.
Die Entscheidung stärkt die Position der Versicherten und unterstreicht die Relevanz objektiver und subjektiver Kriterien bei der Beurteilung grober Fahrlässigkeit im Versicherungsrecht. Das Gericht betonte das Verständnis für menschliche Fehler sowie das Vertrauen, das in einer Ehe besteht. Eine Überwachung oder Kontrolle des Ehepartners ist grundsätzlich nicht geboten. Diese Aspekte sind entscheidend für eine faire und gerechte Bewertung in solchen Fällen, da nach dem Willen des Gesetzgebers nicht schon jede Nachlässigkeit eines Versicherten die Versicherungen zu Leistungskürzungen berechtigen soll.