18.07.2022 Branche

Anlagen in Immobilien: Die Zurückhaltung wächst

Inflation, Zinsanstieg und Ukraine-Krieg versetzen auch den Immobilienmarkt in Aufruhr. Versicherer werden zunehmend zögerlich bei ihren Investments in Immobilien. Dafür verschieben sich die Prioritäten in Richtung Nachhaltigkeit.

Viele Marktbeobachter prognostizieren ein Ende des Immobilienbooms. (Foto: © gopixa - stock.adobe.com)
Viele Marktbeobachter prognostizieren ein Ende des Immobilienbooms.
(Foto: © gopixa - stock.adobe.com)

Die Immobilienquote der deutschen Versicherer hat mit 12,1 Prozent einen neuen Höchststand erreicht und wächst im Vergleich zum Vorjahr um weitere 0,6 Prozentpunkte. Das geht aus der diesjährigen 15. Auflage des „Trendbarometers Immobilienanlagen der Assekuranz“ hervor, für das die EY Real Estate im Mai 30 führende Unternehmen der Branche befragt hat, darunter Pensionskassen sowie Lebens- und Rückversicherungen. 

Trendwende zeichnet sich ab

 

Doch die Zahlen täuschen aus Sicht von EY nicht darüber hinweg, dass sich der seit 13 Jahren anhaltende Trend steigender Immobilienquoten von Versicherungsunternehmen abschwächt und die Assekuranz im aktuellen Umfeld etwas zögerlicher agiert. So will nur noch die Hälfte der Befragten ihre Immobilienquote weiter erhöhen. Im Vorjahr hatten dies zwei Drittel angegeben. Fünf Prozent wollen ihre Immobilienquote derzeit sogar senken. Erstmals löst zudem Nordamerika Europa als attraktivstes Investitionsziel ab. Deutschland erscheint 95 Prozent der Befragten aufgrund der Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland als Investitionsstandort weniger attraktiv. „Versicherungen agieren am Immobilienmarkt derzeit überwiegend abwartend. Zwar stellen sie ihre Investitionsstrategie nicht gänzlich infrage – im aktuell volatilen Umfeld zwischen Inflation, Zinsanstieg und Krieg in der Ukraine ist Geduld allerdings das Gebot der Stunde“, sagt Jan Ohligs, Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH und Autor der Studie.

Nachhaltigkeit als Werttreiber erkannt

 

Stattdessen rückt das Thema Nachhaltigkeit als dringliche wie langfristige Herausforderung auf der Agenda weit nach oben, wie Ohligs erklärt. Die notwendige Transformation sorge für eine Neuausrichtung der Investitionsstrategien der Assekuranz. So berücksichtigen bereits 95 Prozent der Umfrageteilnehmer Klimarisiken und transitorische Risiken in ihren Investmentstrategien. Außerdem ist eine große Mehrheit (90 Prozent) der Meinung, dass sich Nachhaltigkeit neben den ökologischen Effekten niedrigerer Emissionen auch positiv auf den Wiederverkaufswert auswirkt. Allerdings ist sich mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) nicht vollständig bewusst, welche Finanzierungslücken die notwendig werdenden energetischen Sanierungen reißen werden.

„Nachhaltigkeit und insbesondere die Emissionsoptimierung von Immobilienbeständen werden nicht zuletzt auch durch die striktere Regulatorik zum ökonomischen Faktor“, sagt Ohligs. „Auch ein höherer Wiederverkaufswert scheint realistisch – aktuell steht jedoch die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen an. Eine rein cashflowbasierte Herangehensweise könnte sich als zu optimistisch herausstellen, wenn wir die Entwicklung der Bau- und Materialkosten in der Rechnung berücksichtigen.“ Von finanziellen Aspekten abgesehen identifiziert die klare Mehrheit der Befragten (95 Prozent) fehlende valide Daten als große Herausforderung bei der Umsetzung von ESG-Strategien.

Risikoneigung der Assekuranz steigt

 

Die favorisierten Investitionsziele der Assekuranz bleiben Immobilien aus den Bewertungsklassen mit geringem Risiko „Core“ (70 Prozent) und „Core+“ (85 Prozent). Dahinter verbergen sich hochwertige Bestandsimmobilien und Neubauentwicklungen in guten bis sehr guten Lagen. Jedoch nimmt der Fokus darauf im Vergleich zum Vorjahr ab (2021: 91 bzw. 86 Prozent). Die risikoreichste Kategorie „Opportunistic“ hingegen erfährt einen signifikant höheren Zuspruch mit nun 40 nach 18 Prozent im Jahr 2021. Gleichzeitig bleibt die Renditeerwartung der Versicherer mit minimalen Abschlägen stabil (4,5 Prozent bei direkten, 5,5 Prozent bei indirekten Anlagen 2022 gegenüber 4,7 bzw. 5,6 Prozent 2021). „Versicherer müssen trotz knappem Produktangebot und entsprechendem Druck ihre Renditeerwartungen erfüllen und können diese nicht beliebig senken“, sagt Ohligs. „Hinzu kommt, dass nicht wenige Immobilien, die zuvor noch als ‚Core‘ eingestuft wurden, durch die neuen Anforderungen an den Klimaschutz nun in eine risikoreichere Kategorie fallen.“

Wohnimmobilien bleiben präferiert – Bürosegment erholt sich leicht

 

Die unter Versicherungen auch im Vorjahr bereits favorisierten Wohnimmobilien stehen erneut für 95 Prozent der Befragten im Fokus (2021: 96 Prozent). Auch Logistikimmobilien und Infrastrukturinvestments bleiben beliebt (75 bzw. 63 Prozent), büßen aber leicht an Attraktivität ein (2021: 84 bzw. 79 Prozent). Etwas Boden gutmachen kann das einstige Lieblingskind der Investoren, die Büroimmobilie (nun 75 Prozent gegenüber 62 Prozent 2021). Gesundheitsimmobilien, die in der Pandemie an Zuspruch gewonnen hatten (2021: 46 Prozent), büßen wieder leicht ein und liegen nun bei 42 Prozent der Befragten im Mittelpunkt des Interesses. Einzelhandelsimmobilien, die sich während der Pandemie leicht stabilisiert hatten, verlieren deutlich in der Gunst der Assekuranz (nun 20 Prozent nach 37 Prozent 2021). Gleiches gilt für das Hotelsegment, das nur noch bei fünf Prozent der Befragten im Fokus steht (2021: 14 Prozent). 

 

Quelle: EY, Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz 2022
Quelle: EY, Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz 2022

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