16.12.2020 Branche

BSV: Weitere Klagen und neue Musterbedingungen

Mehrere Oktoberfest-Wirte verklagen Ihre Betriebsschließungsversicherer. Der GDV veröffentlicht derweil neue Musterbedingungen für künftige Verträge. Klar ist dabei, dass bei Pandemien definitiv kein Versicherungsschutz mehr bestehen wird.

Das traditionelle Oktoberfest fiel im Corona-Jahr aus – viele Wirte streiten jetzt vor Gericht um Entschädigung. (Foto: © www.push2hit.de - stock.adobe.com)
Das traditionelle Oktoberfest fiel im Corona-Jahr aus – viele Wirte streiten jetzt vor Gericht um Entschädigung.
(Foto: © www.push2hit.de - stock.adobe.com)

Der zweite Lockdown in Deutschland hat begonnen, der erste ist - zumindest juristisch - noch nicht aufgearbeitet. Seit dem Frühjahr sorgen die wegen Corona angeordneten Schließungen von Gaststätten und Hotels für Streit über den Umfang des Schutzes aus der Betriebsschließungsversicherung. Über einige Klagen wurde bereits entschieden, zahlreiche weitere sind anhängig. Meist war die Frage, inwieweit die Versicherungsbedingungen sich dynamisch auf das Infektionsschutzgesetz beziehen oder ob sie eine abschließende Aufzählung von Krankheiten enthielten, ausschlaggebend für das Urteil. Da beide Varianten in der Praxis vorkommen, verbuchten die klagenden Gastronomen Siege wie Niederlagen vor Gericht.

Klagewelle geht weiter

 

Ein Schwerpunkt der Auseinandersetzungen ist vor allem die bayerische Gastronomie mit ihren großen Biergärten. Juristischer Hotspot ist dabei das Amtsgericht München. Nun verklagen sieben Wirte des Oktoberfestes ihre Versicherung auf Zahlung ihrer Kosten für die abgesagte Großveranstaltung. Die ersten Klagen seien unterwegs zum Landgericht München I, teilten die Wirte am Dienstag mit. Insgesamt gehe es um einen Millionenbetrag. „Die Klagesumme liegt pro Zelt im Schnitt im mittleren sechsstelligen Bereich“, sagte Sebastian Kuffler vom Weinzelt. Die Ausgaben für die „Wiesn“ summierten sich aus Mieten über Personal-, Büro- und Lagerkosten – und den Versicherungsprämien. Die Prämien hätten jährlich bei 20.000 bis 60.000 Euro gelegen, sagte Kuffler. „Über Jahre haben wir enorm hohe Prämien gezahlt, und dann sollen wir auf den Ausfallkosten sitzen bleiben. Das kann nicht sein.“ Ein gütliche Einigung über einen Schadenersatz seit trotz Verhandlungen seit September nicht zustande gekommen.

Neue Musterbedingungen sollen Klarheit schaffen

 

Der große Streit um Betriebsschließungsversicherung bewegt die Branche schon seit Monaten. Zahlreiche Versicherer änderten zwischenzeitlich bereits ihr Bedingungswerk. Unterstützung kommt nun vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Er stellt seinen Mitgliedern unverbindliche Musterbedingungen für die Betriebsschließungsversicherung zur Verfügung. Sie regeln laut GDV eindeutig und verständlich, in welchen Fällen behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund von Krankheiten oder Krankheitserregern versichert sind. „Mit den Klauseln schaffen wir Klarheit – auch im Interesse unserer Kunden“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Musterbedingungen enthalten sechs Bedingungsvarianten

 

Interessierte Versicherer können laut Verband künftig aus sechs alternativen Bedingungsvarianten die für sich und ihre Zielgruppen passende auswählen. Sie unterschieden sich insbesondere bei den versicherten Krankheiten. Für alle gelte jedoch: Der Versicherer trägt die Schäden, wenn im Betrieb zufällig eine definierte Krankheit oder ein definierter Krankheitserreger auftritt und der Betrieb per Einzelverfügung geschlossen wird, um das Ausbreiten zu verhindern. Dieses zufällige Ereignis sei kalkulier- und damit versicherbar. Der Versicherer trage die Schäden hingegen nicht, wenn Betriebe flächendeckend per Allgemeinverfügung geschlossen werden – etwa um Kontaktbeschränkungen durchzusetzen oder aus Erwägungen des Gesundheitsschutzes. Solche politischen Entscheidungen seien bewusste und gewollte Handlungen, keine zufälligen Ereignisse. Sie sind nach Überzeugung des GDV nicht kalkulierbar und daher generell ausgeschlossen. Gleiches gelte für Pandemien. 

Pandemien laut GDV nicht versicherbar 

 

„Die massiven Schäden durch Corona zeigen, dass die finanziellen Folgen von Pandemien rein privatwirtschaftlich nicht versicherbar sind“, sagt Asmussen. Denn das Versicherungsprinzip – die Gemeinschaft trägt die Schäden Einzelner – werde außer Kraft gesetzt, weil nahezu alle Versicherten gleichzeitig betroffen sind. Pandemien könnten daher nur gemeinsam von Privatwirtschaft und Staat getragen werden. Der GDV hatte bereits im Juni ein mehrstufiges Absicherungssystem vorgeschlagen, das staatliche Ad-hoc-Hilfen zumindest in einem frühen Pandemie-Stadium ersetzen könnte. Bei der Politik stoße das Modell zwar auf Interesse, im Moment konzentriere man sich jedoch auf die Bekämpfung der Pandemie. Jörg Asmussen: „Es bleibt ein Thema für das Bundestagswahljahr.“

 


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