18.12.2020 Branche

EU-Versicherungsaufsicht will Kapitalregeln ändern

Die europäische Aufsichtbehörde EIOPA will das Solvency II-Regelwerk reformieren. Versicherer sollen die zur Realität gewordenen Negativzinsen in ihre Kalkulation einbeziehen. National könnten einzelnen Versicherern auch zusätzliche Kapitalauflagen gemacht und Dividendenausschüttungen begrenzt werden.

Aus dem Zentrum der Finanzaufsicht Europas in Frankfurt kommen weitreichende Vorschläge für die Versicherungsbranche. (Foto: EIOPA)
Aus dem Zentrum der Finanzaufsicht Europas in Frankfurt kommen weitreichende Vorschläge für die Versicherungsbranche.
(Foto: EIOPA)

Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) will, dass Versicherer erstmals auch negative Zinsen in die Kalkulation ihrer Zinsrisiken einbeziehen. Dieser Vorschlag der Änderung der Kapitalanlageregeln wurde am Donnerstag publik. Hintergrund ist die Annahme, dass die Situation dauerhaft niedriger Zinsen wahrscheinlich noch länger anhalten wird.

Maßnahmenpaket soll Solvency II weiterentwickeln

 

Doch damit nicht genug: Die EIOPA hat ein ganzes Paket von Maßnahmen zur Änderung des im Jahr 2016 eingeführten Aufsichtsregimes Solvency II vorgelegt. Demnach sollen die Aufsichtsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten das Recht erhalten, einzelnen Versicherern zusätzliche Kapitalauflagen zu machen und Dividendenausschüttungen zu begrenzen. Die EIOPA spricht sich dafür aus, das Solvency-II-Regelwerk erst ab jährlichen Beitragseinnahmen von mindestens zehn Millionen Euro für Versicherer verpflichtend zu machen. Bislang liegt dieser Schwellenwert bei fünf Millionen Euro. Die EU-Mitgliedstaaten sollen diese Grenze auf nationaler Ebene auf bis zu 25 Millionen Euro anheben können. Die in Frankfurt ansässige Behörde EIOPA sprach von einer „Evolution”, da das Solvency-Regelwerk sich insgesamt durchaus bewährt habe. Man passe aber „die Regeln an die neue Realität an den Zinsmärkten an und schaffe die Voraussetzung für mehr langfristige Investitionen“, erklärte EIOPA-Chef Gabriel Bernardino. Das vorgelegte Konzept geht nun zunächst an die EU-Kommission, die eine Umsetzung in europäisches Recht vorschlagen kann. Danach müssen das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten zustimmen.

Zustimmung zu den Änderungsvorschlägen gab es von der deutschen Finanzaufsicht BaFin. „Die EIOPA hat einen sinnvollen und vor allem zukunftssicheren Änderungsvorschlag unterbreitet, der sowohl die langfristig niedrigen Zinsen als auch die Belastungsfähigkeit der Versicherungsbranche angemessen berücksichtigt und insofern eine gute Balance findet“, sagte Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. Dennoch stellten die Änderungen auch eine Herausforderung für die Branche dar.

Lob und Kritik vom GDV

 

Kritischer hingegen bewertet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den Vorstoß. Zwar habe die EIOPA einen umfangreichen und sehr detaillierten Plan für die Überarbeitung von Solvency II vorgelegt – damit sei ein wichtiger Meilenstein erreicht und der Reviewprozess bleibe trotz der Coronakrise im Zeitplan. Das Ergebnis überzeuge aber nicht. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen: „Auf Dauer müssten die europäischen Versicherer bei einer Umsetzung in erheblichem Maße zusätzliches Kapital für langfristige Zins- und Kapitalmarktrisiken aufbauen. Damit jedoch würde der Investitionsbeitrag der europäischen Versicherungswirtschaft zu europäischen Projekten wie Kapitalmarktunion und Green Deal zwangsläufig geringer.“ Positiv sieht der GDV allerdings die vorgeschlagenen Verbesserungen zur Stärkung des Proportionalitätsprinzips. Hierbei handelt es sich um den Grundsatz, der bestimmt, wie aufsichtsrechtliche Anforderungen im Einzelfall erfüllt werden müssen, nämlich risikobezogen. Das spare nicht nur Kosten, sondern setze wichtige Managementressourcen frei, die bislang durch bürokratische Prozesse ohne Mehrwert gebunden seien.


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