17.08.2021 Branche

Flutkatastrophe: Neue Zwischenbilanz für „Bernd”

Zahlreiche Versicherungsunternehmen wie die R+V melden Rekordschäden durch das Flutereignis in Rheinland-Pfalz und NRW. Ein Großteil der Schäden ist gar nicht versichert. Der Staat will helfen.

Überschwemmung: Im Ahrtal waren die Schäden besonders gravierend. (Foto: Martin Seifert)
Überschwemmung: Im Ahrtal waren die Schäden besonders gravierend.
(Foto: Martin Seifert)

Das Tiefdruckgebiet „Bernd” hat in Deutschland verheerende Schäden angerichtet – wie verheerend, wird allmählich immer deutlicher. Allein im am stärksten betroffenen Rheinland-Pfalz sollen sich die Schäden Schätzungen zufolge auf rund 15 Milliarden Euro summieren. Allerdings war längst nicht jeder Schaden versichert, sodass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den Regulierungsbedarf vorläufig auf 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro beziffert hatte.

Schäden historischen Ausmaßes



Für einige Versicherungsunternehmen war „Bernd” nach eigenen Angaben gleichwohl das größte Schadenereignis in der Unternehmensgeschichte. 

Beispiel R+V: Nach einer vorsichtigen Schadenschätzung im Juli, die bei 167 Millionen Euro lag, mussten die Wiesbadener ihre Prognose jetzt deutlich anheben. Es seien bis dato 14.000 Schadenmeldungen im Umfang von insgesamt 470 Millionen Euro bei der R+V eingegangen. Damit steht schon jetzt fest: 2021 ist das bisher teuerste Naturkatastrophenjahr in der rund 100-jährigen Unternehmensgeschichte des Versicherers. Laut R+V-Vorstandschef Norbert Rollinger sind etwa 70 Prozent aller R+V-Kunden in den Flutgebieten gegen Naturgefahren versichert. Branchenweit liegt der Durchschnitt laut GDV nur bei 46 Prozent.

Beispiel Provinzial: Bereits bis Anfang August hatten die Kunden der Provinzial konzernweit insgesamt 33.142 Schäden mit einem Volumen von 761,3 Millionen Euro gemeldet. Dabei entfallen auf die Sparte Sach (v.a. Wohngebäude, Hausrat) 29.045 Schäden mit einem Aufwand von 730,1 Millionen Euro sowie auf Kraftfahrt 4097 Schäden mit einem Aufwand von 31,1 Millionen Euro. Anfang August wären davon bereits über 70 Millionen Euro zur Auszahlung gekommen, hieß es. „Diese Unwetterkatastrophe hat sehr viel Leid über die Menschen in unserem Geschäftsgebiet gebracht. Das Tiefdruckgebiet Bernd ist das größte und teuerste Schadenereignis in der Geschichte der Provinzial”, bilanziert Dr. Wolfgang Breuer, Vorstandsvorsitzender der Provinzial Holding.

Beispiel Nürnberger.  Auch die Franken teilen mit, „Bernd“ sei bei ihnen für den größten Elementarschaden der Unternehmensgeschichte verantwortlich. Auf 61,5 Millionen Euro belaufe sich die Gesamtsumme bislang, verteilt auf mehr als 6.000 Schadenmeldungen aus den Bereichen Gebäude-, Hausrat- und Kfz-Versicherung. Ein Viertel dieser Schadenfälle habe man bereits abschließend regulieren können, so die Nürnberger. In vielen Fällen seien Vorschusszahlungen von mehr als 25.000 Euro geleistet worden.

Im Einzelfall meist fünfstellig

Die Allianz meldete zuletzt über 30.000 Sach- und mehr als 5000 Fahrzeugschäden im Gesamtvolumen von über 500 Millionen Euro, die AXA geht konzernweit von etwa 400 Millionen aus. Auf 150 bis 225 Millionen Euro beziffert die Versicherungskammer Bayern den Wert der 40.000 bis 50.000 Schadenereignisse. Auf knapp 5000 Schäden mit gut 100 Millionen Euro kommt die Signal Iduna, bei der Gothaer sind es knapp 6500 Schäden im Volumen von weniger als 200 Millionen Euro. 

Die Politik hat den Flutopfern Ende Juli zunächst eine Soforthilfe in Höhe von 800 Millionen Euro zugesichert, um unmittelbare Schäden zu beseitigen und Notlagen zu überbrücken. NRW zahlt beispielsweise jedem betroffenen Privathaushalt 1500 Euro. Für jede weitere Person, die in dem Haushalt wohnt, gibt es weitere 500 Euro. Maximal soll es aber 3500 Euro pro Haushalt geben. Geforderte Mindestschadenhöhe: 5000 Euro. Auch von Kommunen und NRW-Bank gibt es Hilfen bzw. Darlehen. 

Das Bundeskabinett hat außerdem die Einrichtung eines Fonds für Wiederaufbauhilfe in den vom Juli-Hochwasser verwüsteten Regionen beschlossen. Der Fonds soll insgesamt 30 Milliarden Euro umfassen; in diesem Jahr wird er voraussichtlich mit zunächst 16 Milliarden Euro gefüllt.


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